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Schneckenmühle

Schneckenmühle

Titel: Schneckenmühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
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wie bei schwachsinnigen Schafen, wenn wir versuchen, in der Stunde unauffällig unter den Hemdärmel der Banknachbarin zu schielen, ohne das Gesicht von der Tafel abzuwenden. Aber die Mädchen verteidigen ihr Geheimnis eifersüchtig und verachten uns für unsere Wünsche. Und jetzt habe ich sie so einfach überlistet. Jeden Moment kann jemand um die Ecke kommen, oder ein Mädchen könnte den Waschraum verlassen. Ich riskiere eine Beschämung, aber die Versuchung ist zu groß, vielleicht werde ich so etwas nie wiedersehen. Die Mädchenwaschen sich tatsächlich am ganzen Körper, sie putzen sich nicht nur die Zähne, wie wir. Alle sind nackt, die Haut glänzt. Sie seifen sich zwischen den Beinen ein, dunkel schimmert es durch den Schaum. Da soll man «ihn» reinstecken? Warum sollte eine Frau daran interessiert sein? Aber da ich, wie jeder Mensch, Kinder haben werde, muß es ja irgendwie dazu kommen. Seltsam, daß die Kinder alle schon in mir sind, es aber die meisten von ihnen nie geben wird. Peggy kommt aufs Fenster zu, ohne Kleidung sieht sie überhaupt nicht mehr so ärmlich aus, sondern wie die Eva von Jean Eiffel. Plötzlich komme
ich
mir beobachtet vor.
    Ich bin stolz auf meine Erfindung mit der Zahnpasta, wie einfach das war, man mußte nur darauf kommen. Ich kann mich kaum beherrschen, davon zu berichten, aber dann müßte ich den Aussichtspunkt teilen, und sicher würde solche Unruhe enstehen, daß wir uns verraten würden.
    «Suchst du was?»
    Hinter mir steht Opa Schulze, mit seiner Sense über der Schulter. Ich bin ertappt worden, jetzt ist alles vorbei. Ich muß denken: «Ich habe mein Leben verwirkt.»
    Er hält mir eine Handvoll Kirschen hin: «Die schmecken euch doch so.» Ich nehme eine Kirsche, auch wenn ich mich vor seinen Fingern ekle, die Nägel sind ganz blau und rissig.
    Ich soll ihm hinter das Steinhaus folgen. Wartet dort die Strafe? Muß ich mich beim nächsten Appell nackt ausziehen? Sein Gesicht nähert sich meinem. Hoffentlich ist er nicht betrunken. Er klopft sich mit einem Teelöffel gegen das linke Auge. «Holzauge, sei wachsam.»
    War das eine Silvester-Rakete? Oder ist im Krieg seinGewehr nach hinten losgegangen? Hat ihm eine Krähe ein Auge ausgehackt? Im Chemie-Unterricht dürfen wir bei der Geruchsprobe nicht übers Reagenzglas kommen, man muß sich die Luft zuwedeln, weil der Siedeverzug dazu führen kann, daß die Flüssigkeit aus dem Glas an die Decke schießt, die schon viele bunte Flecken zieren. Vielleicht hat Opa Schulze das nicht gewußt?
    «Hat dir im Krieg wer ins Auge geschossen?»
    «Nein, ich hab mich immer schön geduckt.»
    «Oder mit der Sense? Hast du den Arbeitsschutz nicht beachtet?»
    «Nein, das war meine Frau. Ich war gerade einen Tag Rentner. Sie wollte mich überraschen. Sie hat einen Fernseher gekauft, damit ich mich nicht langweile.»
    «Hast du zu nah am Bildschirm gesessen? Man soll einen sechsmal so großen Abstand halten wie die Diagonale von der Bildröhre.»
    «Nein, ich hab gar nicht geguckt, ich bin nur ins Zimmer gekommen und, weil ich nicht wußte, daß da neuerdings ein Fernseher steht, bin ich in die Antenne gerannt.»
    Mir wird ganz anders, mein Vater hat vom ersten Tag an ein Knäuel Stopfgarn auf die Antenne vom neuen Fernseher gesteckt, inzwischen ist es schon ganz staubig. Im Dunkeln halte ich mir immer die Hände vor die Augen, bis ich den Lichtschalter finde.
    «Wenn ich nicht in die LPG eingetreten wäre, wäre ich nicht Rentner geworden und meine Frau hätte keinen Fernseher gekauft. Zum Glück hat mir mein Großvater sein Glasauge vererbt.»
    Er drückt mir die Sense in die Hand. Ich soll versuchen, Gras zu mähen. Bei ihm sieht es immer so einfach aus, daß man Lust bekommt, das auch zu machen. Es wirkt so anstrengungslos, wie Bilder auszumalen. Nachdem ichmein Glück versucht habe, nimmt er mir die Sense wieder weg und prüft das Ergebnis. Er richtet mit der Spitze die Grashalme auf.
    «Oben wackelt’s schon, nur unten ist’s noch fest.»

16 «Laßt euch doch nicht für dumm verkaufen», sagt Rita, die uns heute gute Nacht sagt. Bonn sei nur deshalb die Hauptstadt der BRD, weil dort keine Fabriken seien und sich die Politiker dort sicherer fühlten vor den Arbeitern. In Brasilien hätten sie die Hauptstadt gleich ganz in den Urwald gebaut.
    «Im Westen gibt es aber viel bessere Sachen», sagt Dennis.
    «Der Teufel hat goldene Krallen.»
    «Verstehe ich nicht.»
    «Nicht die Waren sind schlecht, sondern der Kapitalismus.»
    «Und

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