Schneckenmühle
runter. Ein berauschender Gedanke, daß da Überraschungen eingebaut waren, von denen nur die Programmierer wußten.
Wir machen uns über Wolfgang lustig, weil er seine Schulbücher ins Ferienlager mitgebracht hat und darin liest, wenn er die Digedags mal beiseitelegt. «
In einem Ferienlager erhält eine Pioniergruppe den Auftrag, 25 % ihrer Mitglieder für den Ordnungsdienst einzuteilen. Da ruft Klaus: ‹Das geht doch gar nicht! Wir sind ja nur 24 Pioniere!› Was sagst du dazu?
» Wir haben bemerkt, daß er schnell blaue Flecke bekommt. Wir wecken ihn nachts und blenden ihn mit der Taschenlampe: «Was habt ihr mit Wulf gemacht? Spuck’s aus! Dreckiger Faschist!» Er wird an den Oberarmen geknufft, dort, wo man die Flecken später unter den Ärmeln nicht sieht. Es ist eigentlich alles nur Spaß, trotzdem habe ich das Gefühl, ihn zu verraten, wir schlafen doch im selben Doppelstockbett, das schafft eigentlich eine Verbundenheit. Beim Baden fallen seine blauen Flecken auf, die Sache wird untersucht. Niemand kommt darauf, daß ich an so etwas beteiligt gewesen sein könnte, Holger wird als Hauptschuldiger festgelegt. Jörg spaziert nachdenklich mit ihm die Landstraße hinab, wir sehen ihnen aus der Ferne zu. Eine Stunde lang sind sie weg.
«Was hat er denn gesagt?»
«Ob ich weiß, was Faschismus ist», sagt Holger und grinst verlegen.
19 Der Tagesausflug zur Festung Königstein, diesmal rettet uns kein Regen. Am Morgen gibt es Eßpakete. Die Stullen mit Bierschinken landen im Bach, mit den Schmelzkäsestangen spielen wir Fußball, nur die Schokoriegel werden sofort gegessen. Beim Warten an der «Busenhaltestelle» stehen sich die Mädchen gegenüber, klatschen in die Hände und singen: «Ein Mann, der sich Kolumbusnannt’,widdewiddewitt bumbum …» Das rot-weiß gestrichene Geländer kenne ich noch aus dem Altbau, man kann an einem Ende in die Öffnung sprechen und am anderen das Ohr dranhalten, dann hat man ein Telefon. Wir würden uns freuen, wenn der Bus gar nicht halten, sondern einfach weiterfahren würde. Aber als er kommt, wollen alle gleichzeitig einsteigen, und die Hinteren rufen «Schiebung!» und drängeln so, daß die Tür verstopft. Die Sitzplätze werden gestürmt, als handle es sich um Stuhltanz. «Es ist Platz für alle, es braucht keiner zu drängeln!» Rita zählt durch, jemand fehlt. Draußen steht Peggy, die einfach nicht eingestiegen ist, der Bus muß noch einmal halten.
Die Dampfer heißen «Rosa Luxemburg» oder «Walter Ulbricht». Es stört mich immer, daß es «Luxemburg» heißt und nicht «Luxenburg». Walter Ulbricht kenne ich von den alten Briefmarken, die sind aber, obwohl er schon tot ist, nichts wert, weil es zu viele davon gibt. Bei noch älteren Marken dieser Sorte war Hitler drauf. Roberto hat eine Münze aus der Nazizeit, hinten ist ein Hakenkreuz zu sehen, bei dem die Widerhaken so langgezogen sind, daß es fast wie ein Quadrat aussieht. Roberto behauptet, das sei von den Nazis zur Tarnung so gemacht worden, damit niemand sieht, daß sie ein Hakenkreuz benutzen. Er ist immer so überzeugt von den Dingen, die er sich ausdenkt, und ich kann nur mitmachen, indem ich mich verstelle. Wenn er auf dem Feld mit Pfeil und Bogen Hasen jagen will und seiner Mutter gesagt hat, sie soll mit dem Kochen heute warten. Wir sind zur gleichen Zeit nach Buch gezogen, als die Häuser noch in herrlichen Schlammwüsten standen und man abends auf den Baustellen das herumliegende Material untersuchen konnte. Nach der Schulehatten wir den gleichen Heimweg. Er schenkte mir seinen Pfannkuchen von der Schulspeisung. Dann beschloß er, daß wir jetzt rennen müßten, so etwas wurde von ihm nie begründet. Er legte sich in den Wind, der von vorn durch die Lücken zwischen den Hochhäusern blies. Ich konnte nicht so schnell rennen, es war sicher ein Trick, den ich noch nicht kannte. Zu Hause konnte ich sagen, daß ich schon einen Freund hatte.
Beim Schritt über die Reling sollen wir nicht ins Wasser sehen, sagt der Kapitän und reicht jedem die Hand. Diese Hilfestellung ist einem Jungen lästig, so was hat man doch nicht nötig. Oben sitzen und den Wellen hinterhergucken, die wir machen, das wird schnell langweilig. Eigenartig, daß wir überhaupt vorwärtskommen, man merkt gar nicht, daß sich das Schiff bewegt. Wir gehen unter Deck und spielen Mau-Mau. Ich habe jetzt mischen gelernt, man muß einfach ganz schnell mit den Händen wedeln und nicht weiter nachdenken. Jetzt kann ich schon den
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