Schneckle im Elchtest
mit einem Zeigefinger auf dem Mund zu verstehen gab, was er zu tun hatte. Er verbeugte sich wortlos und zischte ab. Sein Bedarf an Zickigkeit war wohl für heute gedeckt.
Ich kam ungesehen bis hinter den Tresen der Bar, vor der unser gemeinsamer Tisch stand. Jetzt musste ich nur noch auf Paolo warten, der gerade verzweifelt versuchte, eine wuselnde, kichernde und sich ständig verbeugende asiatische Menschenmenge an ein paar Tische verteilt zum Sitzen zu bringen. Das konnte dauern. Ich richtete es mir deshalb etwas gemütlicher ein und riskierte ein Ohr in Richtung der beiden Hyänen, die nach wie vor tüchtig über mich beziehungsweise Steve herzogen.
Nina erklärte: »Jetzt mal zur Sache: Lass sie ruhig nach Schweden fahren. Das wird sicher oberätzend. Wer hätte jemals davon gehört, dass ein Urlaub mit der Schwiegerverwandtschaft in einem ollen Ferienhaus schön gewesen wäre?«
»Ich weiß nicht, Steve hat immer davon erzählt, wie cool und interessant die alle sind«, meinte Silke skeptisch. »Was machen wir, wenn Sabine sich mit denen allen anfreundet und die beste Zeit ihres Lebens hat?«
»Dann ist sie eine dumme Kuh und kann mir gestohlen bleiben«, schnaufte Nina.
»Das ist nicht dein Ernst, oder?« Silke war entsetzt.
»Nein, natürlich nicht«, wiegelte die Oberhetzerin ab. »Sabine ist meine beste Freundin.«
Mir fielen fast die Ohren aus dem Kopf. Seitdem ich Nina kannte, hatte ich eigentlich nur mit ihr gestritten. Ich musste zwar zugeben, dass mir ihre Bissigkeit und Scharfsinnigkeit fehlen würden. Außerdem traf auf sie wie wohl auf die wenigsten Menschen der abgenudelte Satz »Harte Schale, weicher Kern« zu. Sie war eigentlich ein feiner Kerl. Aber beste Freundin ... Ungewollt verdrückte ich ein Tränchen der Rührung. Allerdings etwas zu früh.
Denn Nina fuhr fort: »Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass sich Sabine das ganze Leben aus einer Laune heraus versaut. Das windige Bürschchen machen wir platt. Ich meine, wo sind wir denn? Unsere beste Freundin kann doch nicht den Pumuckl heiraten! Prost!«
Ich hörte Gläser klirren.
»Ja, aber wie willst du denn die Hochzeit verhindern?«, wollte Silke wissen. »Und wie den Pumuckl plattmachen? Kann der sich nicht unsichtbar machen? Am Ende kann nur der Meister Eder mit ihm fertig werden. Und Gustl Bayrhammer ist doch leider tot ...«
»Das ist nicht die Zeit für Späße«, schimpfte Nina. »Deshalb gehen wir ganz gezielt und wie folgt vor: Wir nehmen die Hochzeitseinladung erst einmal an und geben uns ganz reumütig, damit sie keinen Verdacht schöpft. Kurz vor dem Standesamt locken wir sie dann in mein Auto. Wir können ja sagen, dass wir eine riesige, romantische Überraschung für sie hätten und es nur zehn Sekunden dauern würde. Dann steigt sie sicher ein.«
»Ja, denn dann hätte sie an dem Tag wenigstens für zehn Sekunden Romantik«, erklärte Silke alias Judas lakonisch.
»Wenn sie dann aber im Auto sitzt, haue ich die Kindersicherung rein und wir geben Gas wie die Blöden. Die Kosten für die Tickets, die wir dabei kassieren, können wir hinterher durch drei teilen.«
»Und wo willst du mit uns hin?«
»Wir fahren in dieses geniale Wellnesshotel in Südtirol. Das wollen wir doch schon seit drei Jahren machen, finden aber nie einen Termin. Jetzt haben wir ihn. Und sind wir erst da, füllen wir sie mit jeder Menge Sekt ab und schleppen sie zur thailändischen Fußmassage mit anschließender Pediküre. Danach zur Ayurveda-Massage, zur Schoko-Ganzkörperpackung und so weiter. Wir machen sie völlig willenlos. Und hat sie sich erst mal entspannt, reden wir ihr ins Gewissen. Dann wird sie schon zur Besinnung kommen. Es würde eigentlich auch reichen, wenn sie hier in Stuttgart mal länger als drei Stunden von diesem Münchhausen-Verschnitt getrennt wäre. Aber das ist ja utopisch, deshalb die Entführung. Da lässt die dauernde Gehirnwäsche auf jeden Fall schlagartig nach. Du wirst sehen – nach kürzester Zeit ist ihr diese ganze idiotische Affäre höchst peinlich und sie schießt diesen windigen Mini-Knipser mit den Littbarski-Stelzen hochnotpeinlich in den Wind. Anschließend suchen wir dann in aller Ruhe nach einem Kerl, der sie auch verdient hat.«
Gläserklirren besiegelte den Entschluss der beiden Damen, ihre wilde Entführungsplanung auch wirklich in die Tat umzusetzen.
Ich hatte derweil genug gehört und ließ Bikini Bikini sein. Gebückt schleichend nahm ich denselben Weg über die Terrasse wieder hinaus,
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