Schneckle im Elchtest
winkte den nach wie vor staunenden Kellnern zu und trollte mich zu meinem Auto.
Auf dem Heimweg hatte ich dann eine ganze Menge Dinge, über die ich nachdenken musste. Vielleicht hing ich wirklich zu viel mit Steve zusammen und war nicht mehr ganz objektiv? Vielleicht waren seine Verwandten tatsächlich alle Aufschneider und hohle Angeber – wie er selber auch? Vielleicht sollte ich tatsächlich manchmal auf meine Freundinnen hören?
Nachdenklich kurvte ich von roter Ampel zu roter Ampel. An der letzten vor der Friedhofstraße stand ein eng umschlungenes Pärchen, das sich küsste, als ob es das Letzte wäre, was es in diesem Leben tun würde.
Verdammter Neid. Das wollte ich auch! Und ich konnte es auch haben: mit Steve. Und zwar sofort. Wie konnte ich auch nur eine Sekunde an ihm und unseren Plänen zweifeln? Na warte, Nina, wenn ich aus Schweden zurück war, würde ich dir und deinen sauberen Plänen so richtig in die Suppe spucken! In Schweden hatte ich auf jeden Fall genug Zeit, mir etwas wirklich Fürchterliches zu überlegen. Es war höchste Zeit, dass Nina Demut lernte. Und ich würde ihre Lehrerin sein.
Doch zuerst musste ich am nächsten Tag noch einmal in die Stadt und mir denselben Bikini noch einmal kaufen. Ich wollte gut aussehen, wenn ich meine Pläne schmiedete.
Abba hallo oder:
Willkommen im Monsterclub
»Wann sind wir denn endlich da-ha?«, rutschte es mir raus.
Ich hatte die Nase voll von Steves neuester uralter Errungenschaft: einem klapprigen Mercedes mit kaputten Sitzen, durch die sich seit über acht Stunden schmerzhaft Sprungfedern in meinen Rücken bohrten. Zum Glück kam gerade mächtig viel Wasser in Sicht. Hamburg konnte nicht mehr weit sein. Es war höchste Zeit.
Als Steve mir vor drei Tagen dieses eierschalenfarbene Schlachtschiff stolz wie Oskar präsentiert hatte, war mein erster Gedanke gewesen: »Ach, du liebes Lieschen. Ich dachte, nur Jurastudenten im ersten Semester lassen sich alte Taxis als Oldtimer andrehen.«
Da hatte Steve auch schon getönt: »Stell dir vor, das war mal ein Taxi!«
»Ach ...«, hatte ich nur schwach zurückgegeben.
»Ja, ich bin über einen Kollegen drangekommen. Er hat einem Jurastudenten gehört, der jetzt Staatsanwalt und auf einen BMW X5 umgestiegen ist. Wenn das die klassische Laufbahn mit dieser Schönheit ist, fahren wir demnächst auch mit einem X5 herum!«
»Da bin ich gar nicht scharf drauf. Bei mir muss eine Kiste nur fahren. Möglichst Sprit sparend. Wegen Klimabilanz, Geldbeutel und so weiter. Ein X5 käme auf keinen Fall in die Doppelgarage meiner Killesberg-Villa. Da darf ohnehin nur ein Daimler rein. Wir sind hier in Stuttgart«, erklärte ich.
Steve lachte: »Ich weiß, du bist da eigen. Aber im Moment müssen wir uns ja noch gar keine Gedanken um unseren zukünftigen Fuhrpark machen. Mit einem X5 könnten wir uns bei meiner Verwandtschaft auch gar nicht blicken lassen. Aber mit diesem Schätzchen hier ... Mein Bruder wird vor Neid erblassen. Und mein Schwager erst. Der behauptet immer, richtig gute Oldtimer kann man nur in Schweden kaufen.«
»Und damit hat er sicher recht. Das Ding hier ist kein Oldtimer, sondern ein Schrotthaufen. Übrigens ist es wohl kaum dein Ernst, dass wir damit bis nach Schweden fahren sollen, oder?«, fragte ich leicht panisch.
»Natürlich fahren wir damit bis nach Schweden, dafür habe ich ihn ja in erster Linie gekauft. Du wirst sehen, man sitzt sehr gemütlich. Außerdem hat wohl jeder seiner Vorbesitzer darin geraucht. Ist das nicht praktisch?«
»Ja, ganz toll.« Mir wurde jetzt schon schlecht, wenn ich mir überlegte, wie wohl das Innere aussah – und vor allem roch.
»Ich habe übrigens noch eine ganz tolle Nachricht«, posaunte Steve in meine Zweifel hinein. »Wir können Zwischenstation in Hamburg machen, bei Hartmuts dritter Frau, glaube ich. Oder vierter. Ist ja auch egal. Elke war ganz begeistert, als ich sie angerufen habe. Sie kann ja leider nicht nach Schweden mitkommen, weil sie Synchronsprecherin ist und gerade an einem Film arbeitet.«
Ach herrjeh. Noch so ein Wundertalent. Aus diesem Urlaub würde ich garantiert die dicksten Minderwertigkeitskomplexe der Welt mitbringen.
Um mich abzulenken, fragte ich schnell: »Die wievielte Frau deines Vaters war eigentlich deine Mutter?«
»Na, die siebte, sie sind immer noch verheiratet. Du weißt doch, dass sie zusammen in der Nähe von Frankfurt leben«, erklärte Steve stolz.
Liz Taylors Vorsprung war dahin.
»Das heißt ja erst
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