Schneckle im Elchtest
Creme.«
»Andersrum, es war andersrum«, flüsterte Silke und schenkte sich Prosecco nach.
»In Ordnung«, nickte Nina und fuhr fort: »Ganze Blöcke habt ihr vollgemalt mit euren Brautkleidern! Am liebsten wolltet ihr eine Doppelhochzeit in der Wurmlinger Kapelle bei Tübingen feiern, mit tausend reinweißen und cremefarbenen Rosen! Eine Kutsche«, sie schnaubte provozierend, »sollte euch und eure Männer, die exakt so aussahen wie Lex Barker und Sam Hawkins, zu einem barocken Landschloss, alternativ einer riesigen, hypermodernen Fachwerklocation – gerne eine alte Mühle mit Sternekoch – bringen, wo bereits mindestens dreihundert Gäste auf euch warten sollten. Dort wolltet ihr dann als Erstes fünfzig weiße Tauben in die Freiheit entlassen, danach sollte die berühmte Sängerin, die in der Kirche bereits ›Ave Maria‹ gebrüllt hatte, mit einer Rockband ›Für mich soll’s rote Rosen regnen‹ zum Besten geben, bevor es alle eure Lieblingsgerichte auf einmal geben würde. Soll ich weitermachen?«
»Nein, danke, das reicht«, erklärte ich schwach mit einem schnellen Blick auf Silke, die während Ninas Rückblende wieder begonnen hatte, mit der Stirn gegen den Tisch zu dotzen.
»Ich gebe ja zu, dass ich mir das alles etwas anders vorgestellt habe. Aber ich bin nicht Scarlett O’Hara und ein reinweißes Kleid würde mir gar nicht stehen. Das weiß ich von der Kosmetikerin. Die ist übrigens gut, die ausgequetschten Pickel haben sich zum ersten Mal nicht entzündet. Schaut mal!« Ich hielt ihnen meine rechte Wange hin und fragte: »Wollt ihr die Adresse?«
Stummes, kollektives Kopfschütteln.
Ich seufzte und fuhr tapfer fort, mich zu rechtfertigen: »Mensch, Mädels, ich bin dreiunddreißig Jahre alt und habe genug Männer getroffen und kennen gelernt, um kapiert zu haben, dass Lex Barker tot ist und Old Shatterhand eigentlich niemals gelebt hat. Im Gegensatz zu Ralf Wolter.«
Jetzt grinste Silke wenigstens schief.
Ich fühlte mich bestätigt und fuhr fort: »Mich wird also niemals ein grundguter, muskelbepackter Westernheld mit starken Armen auf ein schwarzes Rassepferd heben – und so ganz nebenbei: Ich hasse Pferde, aber so ein Vieh gehört ja wohl dazu, meint ihr nicht auch?«
Keine Reaktion.
»Also, das mit dem Hochheben kann ich vergessen. Frau muss ja schon froh sein, wenn ein Kerl ihr die Sprudelkästen in die Wohnung schleppt. Hm. Eigentlich eine gute Idee, wenn ich’s mir genau überlege. Ich werde Steve morgen gleich darum bitten. Obwohl, der Arme, der hat’s ja im Rücken. Ich mach das lieber weiter alleine. Ist ja gut für den Bizeps ...«
Silkes Kopf klopfte wieder gegen den Tisch.
»Glaub mir, ich habe dir immer sehr genau zugehört, wenn du von ihm erzählt hast«, sagte Nina bestimmt, »und ich habe ihn, wenn auch kurz, immerhin selber kennen gelernt. Er hat zwar auf den ersten Blick ein recht charmantes Auftreten. Aber er ist in meinen Augen ein Blender – lass mich ausreden!« Sie hatte meinen aufkeimenden Protest vorausgeahnt. »Du wolltest doch wissen, warum wir ihn nicht leiden können. Also hör’s dir jetzt auch an. Erstens: Er hat seine mickrigen, viel zitierten Beziehungen gebraucht, um an diesen bescheuerten Job heranzukommen. In Hamburg hat er verbrannte Erde hinterlassen und kann sich dort nicht mehr blicken lassen – wie übrigens in halb Deutschland. Ich tippe mal, in Spanien sieht es auch nicht viel anders aus. Der hat da nie und nimmer eine Bar besessen, sondern höchstens mal in einer gejobbt.« Voller Empörung stürzte Nina ein komplettes Glas Prosecco hinunter. Leider war ich zu perplex, um die Gunst der Minute zu nutzen, sodass sie ungehindert fortfahren konnte: »Jeder aus seiner Familie wohnt in einer anderen Stadt mit mindestens dreihundert Kilometern dazwischen. Sein Vater war sechs Mal verheiratet, hattest du erzählt, oder?«
»Na und, Liz Taylor war sieben Mal verheiratet. Und dafür, dass er aus Hamburg abhauen musste, konnte er nichts. Es war die Schuld seiner durchgedrehten Ex!«, keifte ich nun doch dazwischen.
»Schnauze, ich rede«, erklärte Nina lapidar. »Also, seine Familie ist gnadenlos zerstritten. Dieses ganze Gerede von Intellektuellen, Verlegern und sonstigen Promis ist doch bloß heiße Luft. Mir sagt der Name Labskaus gar nichts. Für mich klingt er nur irgendwie nach Gammelfleisch mit Gürkchen. Hast du ihn eigentlich mal gegoogelt?«
»Natürlich nicht! Ich vertraue Steve ...«
»Und genau das ist das Problem«, seufzte
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