Schneckle im Elchtest
weiter Ediths toten Fisch schütteln und darüber nachdenken, warum diese Nordlichter immer »Fischkopf« und nicht »Fischhand« genannt wurden.
Zum Glück erlöste mich das nächste Familienmitglied vom Hand-Geglitsche. Ein schwarzhaariger Mittvierziger, der sich mit seinen einen Meter siebzig samt Pferdegesicht als weiteres Mitglied der anwesenden Sippe auswies, drängelte Edith samt Fisch zur Seite.
»Ich bin Joe, Steves Bruder. Ihr habt uns vielleicht überrascht! Aber ich finde es wunderbar, dass der Kleine sich von dir hat einfangen lassen. Wirklich! Herzlichen Glückwunsch! Wisst ihr schon, wo ihr heiratet? Dürfen wir auch kommen? So eine Sommerhochzeit ist doch eine tolle Sache. Meine Frau und ich haben im Juli geheiratet. Am Strand von Ibiza. Mit ungefähr dreihundert Gästen. Ein rauschendes Fest ...« Er blickte sehnsuchtsvoll entrückt in die Ferne.
»Und welche ist deine Frau?«, unterbrach ich den Vielquassler, der eindeutig der Nachrichtensprecher sein musste.
Er war zwar so hässlich wie seine bösartige Schwester – zum Glück hatte Hartmut mit Frauen und seinen Genen weiterexperimentiert, sonst hätte Steve wohl auch schwarze Schnittlauchlocken und Segelohren abbekommen. Brrr ... Aber immerhin sprach der liebe Joe in vollständigen Sätzen, war freundlich und hatte bis jetzt halbwegs normale Verhaltensmuster an den Tag gelegt.
Bis jetzt. Denn nun wurde er abwechselnd blau und grün und stammelte: »Äh, meine Frau ist nicht hier. Das da drüben« – er wies mit dem Kinn auf eine deutliche ältere, dürre Dauerwellen-Blondine mit brutal mahlenden Kiefern und aufgemalten Augenbrauen, die uns mit Blicken erdolchte – »ist meine Freundin Ulrike. Und das da ...« – jetzt wies er mit dem Kinn auf die vor sich hingiggelnden Teenager-Klone – »sind Paula und Petra, ihre Töchter.«
»Aber nicht deine, oder?«, fragte ich mit einem feinen Lächeln nach.
»Soooo«, beendete Steve den Dialog, der mir gerade anfing, Spaß zu machen, »du hast ja die Hälfte der Familie noch gar nicht kennen gelernt. Diese hübschen Damen hier sind Maria, Ediths Mutter« – ein schmallippiges Lächeln aus einem knochigen Pferdegesicht, umrahmt von kurzen schwarzen Schnittlauchlocken – »und Marie-Louise, Joes Mutter« – noch ein verkniffenes Lächeln aus einem knochigen Pferdegesicht, auch umrahmt von kurzen, schwarzen Schnittlauchlocken.
Beide steckten nicht in Kaftanen, aber dafür in sackähnlichen Blümchenblusen, um die sie kunstvoll jede Menge scheußlich bunter Batiktücher drapiert hatten.
»Meine Güte«, zischte ich Steve blinzelnd zu, um die wirren Blumenmuster von meiner Netzhaut zu schütteln – solche Farben sah man sicher auf einem LSD-Trip. »Sind das Schwestern? Noch mal Zwillinge? Die sehen sich so ähnlich. Gehen die zum selben Topfhaar- und Uniformschneider oder leben die nur seit Jahrzehnten in einer WG mit einem Collie zusammen? Es heißt ja immer, dass sich Hunde und ihre Herrchen oder Frauchen mit der Zeit immer ähnlicher sehen.«
Steve zischte zurück: »Nein, die sind nur über Hartmut miteinander verwandt. Und Hunde haben die auch keine.«
Ich schlug mir vor den Kopf. »Klar haben die keine Hunde. Das sind ja die typischen alten Jungfern, die natürlich mit Katzen leben. Ich habe allerdings noch nie etwas von Katzen mit so langen Gesichtern gehört. Dein Vater hat einen etwas ausgefallenen Frauengeschmack, auch wenn er demselben Typ anscheinend immer treu geblieben ist. Wieso fangen deren Namen eigentlich alle mit ›Ma‹ an? Ich meine, alle außer Elke natürlich.«
Steve rollte genervt mit den Augen. »Elke heißt mit Rufnamen Maren und nur mit zweitem Namen Elke«, zischte er zu meinem großen Erstaunen. »Aber nach der Trennung von Hartmut hat sie das Maren abgelegt.«
Wahnsinn.
»Gibt’s hier noch mehr schwarz gefärbte ›Ma‹s mit Army-Haarschnitt und floralen Obsessionen?«, wollte ich dann wissen.
»Da drüben sitzt noch Hartmuts erste Frau Martina. Martina, huhu!«
Steve winkte einer verschrumpelten Dame zu, die mich an eine überdimensionierte Rosine erinnerte. Ihr Haupt zierten nur noch einzelne grauhaarige Büschel, die senkrecht von ihrem Kopf abstanden und leise im Wind wehten. Dafür steckte sie wie ihre Nachfolgerinnen in einem großflächigen Blumenensemble. Dieses war sogar so großflächig, dass sie regelrecht darin versank. Immer wieder reckte sie ihren Hals, weil ihr der Kragen sonst bis an die Nasenspitze reichte. Entweder war sie in den
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