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Schneckle im Elchtest

Schneckle im Elchtest

Titel: Schneckle im Elchtest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Ruehle
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kamen mit ausgebreiteten Armen auf Steve zugestürmt.
    Dachte ich.
    Denn einen Augenblick später klebten nur die beiden Frauen an Steve. Der Mann, der trotz mageren dreizehn Grad kurze Hosen trug, stiefelte – im wahrsten Sinne des Wortes, denn er trug übergroße Cowboystiefel – forsch und o-beinig auf mich zu. Ich drehte mich um, sah aber niemanden. Meinte der alte Fußballer mich? Da stand er schon ein Meter siebzig klein vor mir und grinste mich mit einem abgebrochenen Zahn an.
    Daran erkannte ich ihn – huch, das war ja Steve in schätzungsweise fünfundfünfzig Jahren! Da drückte mich der stoppelbärtige, halbglatzige, aber an den Seiten und im Nacken dennoch schulterlang- und drogeriemarktschwarzhaarige Pirat a. D. auch schon an seine eingefallene Brust. Diese steckte samt ebenfalls drogeriemarktschwarz gefärbtem Fellchen – gefärbtes Brusthaar hatte ich bis dahin noch nie gesehen – in einem ausgeleierten, vergilbten Feinrippunterhemd, auf dem ein Bildnis des guten Che prangte. Wie apart. Der Revolutionsführer a. D. Hartmut Labskaus hatte sich passend zum Haus gekleidet. Als Baracke.
    Nicht zum Haus passte seine lange goldene Ohrringkette auf der linken Seite, die bei jeder seiner Bewegungen leise klimperte. Die Tätowierungen auf seinen Oberarmen passten derweil wieder hervorragend: Es waren schlecht gemachte, mickrige Knast-Tattoos – links ein merkwürdig amorphes Gebilde – wahrscheinlich Labskaus – ein auf dem Kopf stehendes Kreuz rechts. Da erkannte man doch gleich den Künstler!
    Während ich mich noch aus der schmatzenden, triefnassen Umarmung kämpfte, schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: Meine Eltern würden von diesem Neuzuwachs der Familie begeistert sein. Vor Freude würden sie sich nicht mehr lassen können! Außerdem würden sie am Tag nach dem Kennenlernen einen Notartermin vereinbaren und mich samt meinem zu erwartenden Nachwuchs bis in die zwanzigste Generation von jedem im Schwabenland möglichen Erbe ausschließen.
    Noch hatte ich mich trotz Rempeleien nicht aus Hartmuts Umklammerung befreien können. Er hatte mich nach wie vor im Schwitzkasten, knutschte mich weiter endlos ab und säuselte mir spucketröpfchenfreudig – und mich fatal an Heinzi erinnernd – ins Ohr: »Sabine, mein Mädchen, tolle Haarfarbe! Kann man die im Supermarkt kaufen? Wenn ja, sag mir bitte, in welchem. Zur nächsten Familienfeier käme ich dann auch als Hexen-Medusa – ha! Die Gesichter wären unbezahlbar.« Seine Augen glänzten irre.
    Ich gab die Gegenwehr auf und stand nur stumm und starr, während ich noch überlegte, ob ich ihm zur Begrüßung eine reinhauen oder ihn nur wüst beschimpfen sollte.
    Er kam mir zuvor: »Jetzt freue ich mich noch mehr, dich kennen zu lernen.«
    Ein ums andere Mal wurde ich schallend auf meine Wangen, meinen Kopf und sonst wohin geküsst. Bäh. Nun konnte ich zusehen, wie ich die zähe Spuckeschicht wieder loswurde. Hoffentlich gab es in dem fiesen Kasten fließend warmes Wasser!
    Ich tätschelte dem Charmebolzen etwas distanziert den Arm, schob ihn dann mit viel Kraft und Schwung endlich etwas von mir und begrüßte ihn lauwarm: »Na, das nenne ich mal eine Begrüßung mit, äh, Kreativität und offenen Armen. Ist ja toll.«
    Wahrscheinlich wuchs meine Nase jetzt um fünf Zentimeter. Doch Hartmut freute sich mächtig. Er grinste von einem Ohr bis zum anderen und offenbarte dabei, dass die Familienähnlichkeit mit seinem Filius ganz schön weit reichte. Für mich um einiges zu weit. Denn Steves sexy Zahnbaracke hatte sich bei seinem Papi bereits enorm ausgebreitet. Der gesündeste Zahn war offensichtlich der schiefe Piratenzahn und vielleicht auch sein einsamer Kumpel daneben. Ansonsten hatte man durch diverse nicht nennenswerte Zahnstummel einen fast freien Blick auf das Zäpfchen.
    Hoffentlich fiel der Apfel in dem Fall doch etwas weiter vom Stamm! Die Küsserei mit Steve war sowieso schon höchst mittelprächtig. Wie es dann ganz ohne Zahnunterstützung wäre? Ich mochte es mir gar nicht vorstellen.
    Derweil legte der Piraten-Opa gar nicht kontaktscheu wieder klammeräffchenmäßig seinen Arm um mich und schleppte mich zu der mich ansonsten ignorierenden Familie.
    Er raunte mir zu: »Steve hat mir euer Geheimnis schon verraten. Aber ich schweige wie ein Grab. Da werden ein paar der anwesenden Herren und Damen aber ein Gesicht machen. Ha!« Er rieb sich voller Schadenfreude die Hände. »Eine großartige Performance wird das. Ein Störsender verwandelt die

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