Schneckle im Elchtest
in diese feine Gesellschaft nur eingeheiratet.
Mitten in meine Überlegungen platzte nun die Rastafrau: »Hi, i ben d’ Kerschdin.«
Sie schien sich bei dem ganzen Vorstellungs-Hin-und-Her bislang am besten amüsiert zu haben. Nun griff sie kichernd meine Hand und bemühte sich nach Leibeskräften, sie umgehend zu Mus zu zerquetschen.
»Hallo, Kerschdin. Das nenne ich mal einen Händedruck!«, begrüßte ich Kurts Tochter und pustete auf meine geschundenen Finger.
»Ja, i han hald dengd, den Drugg kannsch grad jetzt gud braucha.« Sie zwinkerte mir zu.
Ich zwinkerte zurück. Es war gut zu wissen, dass hier jemand meine Aversion gegen tote Fische teilte.
Aber jemand fehlte doch noch. Ich fragte den Schwaben-Prof: »Und wo ist Ihr Sohn?«
Als Stirntitel konnte er nun bei mir in Großbuchstaben nachlesen: »Der Wahnsinnige, der den Schritt schon hinter sich hat, der mir noch bevorsteht.« Ich war sehr gespannt, ob der Arme nach seinen Eltern oder seiner Schwester kam.
Die Antwort gab Edith: »Udo holt gerade Schnittchen.
Udo
!«, brüllte sie Richtung Haus. »Kommst du bald oder müssen wir dich holen?«
»Ja, Schatz, gleich«, kam es aus dem Haus.
Und in der Tat erschien ein sehr nett aussehender, hoch aufgeschossener Mann, ebenso adrett und gepflegt wie seine Eltern – und dabei ganz ohne Rastazöpfe und Dialekt – an der Hintertür. Er balancierte zwei Platten voller Schnittchen, die er vorsichtig auf dem Tisch platzierte.
»Lass mich raten«, begrüßte er mich, »du musst ...«
»
Sabine
sein«, ergänzte ich genervt und drückte ihm kräftig die Pfote, bevor auch er den Chantal-Fauxpas beging.
Wenn ich noch einmal diesen Namen hören musste, würde ich die Schnittchen-Platten auf Steves Kopf zerdeppern.
»Was, ah, jaja«, sabbelte Udo verwirrt vor sich hin.
Kerschdin kicherte sich eins, nahm ihm beherzt eine der Platten ab und begann umstandslos deren Inhalt zu verputzen.
»Jetzt fehlen noch Anke und Britt«, erklärte Steve nach wie vor schwitzend. »Meine Nichten, die Töchter von Edith und Udo.«
»Die sind hinten, bei den Pferden. Oder bei irgendwelchen Schweden«, erklärte Udo schulterzuckend. »Die tauchen schon irgendwann wieder auf.«
»Ja, leider«, ließ sich da Kurts Frau Doris zum ersten Mal deutlich artikuliert vernehmen.
»Mutter!«, fuhr ihr Edith empört und spitz über den Mund. »Du redest von deinen Enkelinnen! Es ist doch immer wieder traurig, wie schnell die Menschen vergessen, dass sie auch einmal jung waren. Etwas mehr Verständnis für und Nachsicht mit anderen würde den meisten guttun.«
»Wie wahr, wie wahr«, säuselte ich.
Steve traf meinen Fuß.
»Autsch!«, entfuhr es mir.
»Wir sind ziemlich erledigt«, erklärte er seiner Moralapostel-Giftspritzen-Schwester. »Kannst du uns unser Zimmer zeigen?«
»Ein Zimmer haben wir nicht übrig«, erklärte Edith zu meinem grenzenlosen Ärger, nicht aber Erstaunen.
Chantal hätte ein Zimmer bekommen, doch ich war eben nur Baumarkt-Sabine.
»Und wo, bitte, dürfen wir schlafen?«, wollte ich trotzdem mit zuckersüßer Stimme wissen. »Gibt es hier einen lauschigen Schweinestall, in dem noch ein Koben frei wäre?«
»Ha, ha, sehr witzig«, konterte Edith. Triumphierend fügte sie dann hinzu: »Ihr dürft in der Küche schlafen. Udo und ich haben auf einem Bauernhof letztes Jahr Original-Küchenbänke aus dem letzten Jahrhundert ersteigert. Jede für umgerechnet nur zwanzig Euro! Die kann man aufklappen und darin schlafen. Das waren früher die Schlafplätze der Knechte und Mägde hier in Schweden. Was sagt ihr jetzt?«
Gar nichts mehr.
Mir fiel eine weitere Michel-Geschichte ein: Lina, die ständig kreischende Magd, hatte immer in einer solchen GesindeKüchenbank geschlafen. Dort war ihr dann irgendwann mitten im schönsten Traum eine dicke, fette Ratte übers Gesicht gelaufen. Und ich war mir sicher: Wenn es bisher keine dicken, fetten Ratten im Eternit-Hof gegeben hatte, würde Steves Verwandtschaft sich sofort auf die Suche nach ein paar exquisiten Exemplaren ganz alleine für mich machen.
»Ich muss dringend mal«, erklärte ich Steve schlapp. »Du kannst mir den Rest der Familie ja später vorstellen.«
»Die Wichtigsten sind sowieso durch«, meinte er und wies auf den Rest der Gesellschaft, der sich schon lange mit wichtigeren Dingen als mit mir beschäftigte. »Das da sind Freunde von Edith, die interessieren sich sowieso nicht für dich.«
»Ach«, japste ich schwach. »Wie schön, dass sich deine
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