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Schneckle im Elchtest

Schneckle im Elchtest

Titel: Schneckle im Elchtest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Ruehle
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Demonstration spießbürgerlicher Familienbande in ein Dauerrauschen.« Er kicherte und reckte eine geballte Faust gegen den Himmel.
    Meine Güte. Er sah nicht nur wirr aus. Er redete auch wirr.
    Steve hatte ja schon erzählt, dass sein Vater eine enorme Abneigung gegen das Spießbürgertum hegte – was ihn nicht davon abgehalten hatte, sieben Mal zu heiraten. Außerdem hatte er mir von Hartmuts Vorliebe für Absurdes berichtet. Doch das war wohl die Untertreibung des Jahres gewesen: Der Kerl hier hatte einen enormen Sockenschuss und war einfach nicht mehr therapierbar.
    Derweil waren wir bei der Restfamilie angelangt. Diese musterte mich skeptisch bis ablehnend, so als wäre ich ein nicht besonders appetitliches Insekt.
    Ich kannte mich mit solchen Blicken aus. Ich reservierte sie selber für nicht besonders appetitliche Insekten, Quitten und »Wir-waren-ja-schon-immer-für-Stuttgart-21«-Aufkleber auf dicken Daimler-Heckscheiben. Spontan sehnte ich mich zurück ins Dauer-Demoland. Oder wenigstens zurück zu Elke.
    Doch es half ja alles nichts.
    Hier stand ich nun und konnte nicht anders, deshalb seufzte ich und erklärte: »Hi, ich bin Sabine, Steves Freundin.«
    Und dann stand ich erst mal stumm vor dem Familientisch herum. Denn von den Anwesenden kam überhaupt keine Reaktion außer dem einen oder anderen bösen Blick.
    Immerhin erlöste mich endlich ein gekichertes »Hi« von zwei ungefähr fünfzehnjährigen Mädels mit langen blonden Mähnen, die einander wie ein Ei dem anderen glichen. Sie saßen am einen Ende des Tisches und stießen sich gegenseitig in die Rippen. Aha, gleich doppelter Backfischalarm. Wenigstens hatten sie mich gegrüßt. Das war doch schon mal etwas. Ich lächelte ihnen dankbar zu.
    Neben ihnen lümmelte eine Rasta-Dame, schätzungsweise Mitte dreißig, entspannt auf ihrem Stuhl. Sie grinste von einem Ohr bis zum anderen, winkte und zwinkerte mir verschwörerisch zu. Neben ihr saß ein distinguierter älterer Herr um die siebzig mit gepflegtem Seitenscheitel, der mir erstaunlich freundlich zunickte. Etwas weniger freundlich, aber doch deutlich nickte die ebenso distinguierte Dame im selben Alter, die mit versteinertem Gesicht an seiner Seite saß.
    Das war doch eine gar nicht so unbescheidene Ausbeute: zwei His, ein Winken, zwei Nicker ... großartig!
    Außerdem hatte ich ja noch den klammernden Hartmut, der anscheinend Gedanken lesen konnte und mich mit seinem Polizeigriff davon abhalten wollte, mich umzudrehen und mit Steves Klapperkiste in einem Rutsch den kompletten Weg nach Stuttgart zurückzufahren.
    Als ob auch er Gedanken lesen konnte, schlich Steve von hinten an meine Seite, küsste mich kurz auf den Nacken und klopfte dann seinem Vater auf die Schulter.
    »Hi, Hartmut. Wie geht’s?«
    Hartmut entließ mich aus seiner Umklammerung, packte dafür seinen Sohnemann und erwiderte strahlend und augenzwinkernd: »Ausgezeichnet, danke, mein Sohn! Jetzt, wo so viel Rebellen-Potenzial da ist, noch viiiel besser.«
    Als er aus der väterlichen Piraten-Umarmung wieder aufgetaucht war, legte Steve von hinten beide Arme um mich, schubste mich noch einen Meter weiter vor und verkündete: »Wie euch Edith sicher schon gesagt hat, verbringen Sabine und ich ein paar Urlaubstage mit euch.«
    Erwartungsgemäß brachen nun keine Jubelstürme aus. Ich hörte nur jemanden zischen: »Wo sollen die denn schlafen?«
    Und jemand anderes antwortete: »Mir egal. Hauptsache, nicht in meinem Zimmer.«
    Steve blieb unerschütterlich. »Wir wollen euch außerdem nicht auf die Folter spannen: Sabine und ich werden in drei Wochen heiraten. Wir haben gedacht, dass dies hier eine gute Gelegenheit ist, euch allen auf einen Schlag die tollen Neuigkeiten mitzuteilen. Und jetzt hoffe ich, dass ihr noch eine Flasche Sekt im Kühlschrank habt, die wir köpfen können!«
    Er schaute erwartungsvoll in endlos lange Gesichter und weit geöffnete Münder.
    Die dazu passende Totenstille wurde durch Hartmuts hysterisches Gekicher eindrucksvoll untermalt: »Touché! Sie erhalten soeben einen Vorgeschmack des Todes. Wappnet euch!«
    Das war mir nun doch zu blöd. »Mir reicht’s. Ich gehe«, erklärte ich. »So viel Enthusiasmus auf einmal verkraftet kein einzelner Mensch.«
    Ich drehte mich um und marschierte zurück zum Auto. Da fühlte ich mich gleich von mehreren Armen gepackt. Steve und Hartmut hingen wie die Kletten an mir.
    Der Piraten-Papi strahlte: »Hach, so ein Temperament, mein Junge, du bist ein

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