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Schnee an der Riviera

Schnee an der Riviera

Titel: Schnee an der Riviera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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Jäger angezogen war. Er schoss auf etwas, das sich im Unterholz bewegte, vielleicht ein Wildschwein, dachte ich. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen. Aber plötzlich hob er den Lauf der Flinte und schoss auf Franci, der lautlos herabfiel und in den Strudeln des Flusses versank, dann auf Habib, dem es genauso erging. Ich habe den Mund aufgerissen, um zu schreien, aber ich war stumm und wie festgenagelt. Schrecklich! Mau und Monica lachten und spielten immer weiter, sie schienen nichts mitbekommen zu haben. Der Mann hatte wieder angelegt, und in dem Moment sah ich sein Gesicht. Es war Gian, der Hausmeister vom Klee.«
    Nelly saß aufrecht im Bett und nippte an ihrem Milchkaffee. Carlo hörte aufmerksam zu.
    »Unten am Flussufer standen reglos zwei weitere Zuschauer: Gianandrea Pittaluga und Gudrun Fallari, Miriams Mutter. Sie beobachteten die Szene, ohne einzugreifen. Ungerührt. Dann, als Gian zum dritten Mal die Flinte ansetzte, begannen sie sich leidenschaftlich zu küssen. Leidenschaftlich. Aber da bin ich zum Glück aufgewacht.«
    »In unseren Träumen werden all unsere Erlebnisse wild durcheinandergemischt, doch manchmal hat unser Unterbewusstsein die Eindrücke schon weiterverarbeitet und hilft uns bei der Reflexion. Vorausgesetzt, wir wollen auf unsere innere Stimme hören und verstehen sie zu interpretieren«, sagte Carlo, als Nelly nachdenklich über die Dächer auf das glatte blaue Meer hinaussah, so fern und nah zugleich. Dann sprang sie mit einem Satz aus dem Bett.
    »Was für ein schöner Tag, lass uns aufs Land fahren, komm!«
    Carlo sagte nichts, dachte aber bei sich, dass die Arme vor lauter Sorge wohl übergeschnappt war und man ihr besser nicht widersprach. Als Nelly unter der Dusche stand, klingelte ihr Handy. Es war Gerolamo. Carlo reichte ihr das Telefon, das sie mit tropfender Hand nahm.
    »Dottoressa, ich weiß jetzt, wo das Haus auf dem Foto steht. Tatsächlich im Val Fontanabuona. Und ich weiß auch, wem es gehört. Einem gewissen Caprile, Giovanni.«
    »Caprile, Giovanni ...«
    »Von Beruf Hausmeister am Paul-Klee-Gymnasium.«
    »Gian! Der wird uns ein paar Fragen beantworten müssen, wenn wir ihn finden. Am besten, wir fahren sofort hin.«
    »Soll ich Sie abholen, Dottoressa?«
    »Ja, in einer halben Stunde. Ich warte hier auf dich.«
    Nelly legte das Handy weg und informierte Carlo, der sie erwartungsvoll ansah: »Jetzt weiß ich auch, wohin wir unseren Ausflug machen. Aber Gerolamo und ich fahren allein.«
    »Abgelehnt, dafür bin ich zu eifersüchtig«, war seine Antwort.
    »Das ist doch rein beruflich. Du kannst nicht mitkommen.«
    »Ich komme ja gar nicht mit, ich habe nur denselben Weg wie ihr.«
    »Mach, was du willst«, schloss Nelly knapp.
    Letztlich war es ihr nicht unlieb, dass Carlo sie begleitete. Er konnte auf sich selbst aufpassen, und wenn es Probleme geben würde ... Aber welche Probleme sollten das sein? Was erwartete sie sich von diesem Besuch eines Häuschens im hintersten Winkel von Lumarzo? Von einem Plausch mit dem Hausmeister Giovanni Caprile, genannt Gian?
    »Etwas, das mich zu Mau führt«, dachte sie.
    Und damit verbunden, da war sie sich sicher, zu Monica.
    »Und dieses Mal, verflixt und zugenäht, werden sie sich nicht mit einem Haufen Lügen herausreden können«, knurrte sie erbost.
     
    Gerolamo hatte seinen Opel Kadett irgendwo am Rand der Altstadt geparkt. Als er an der Haustür klingelte, erwarteten Nelly und Carlo ihn bereits.
    »Endlich lerne ich sie einmal kennen, Assistente Privitera!«
    Und Carlo war wirklich froh, den berühmten Gerolamo endlich einmal zu Gesicht zu bekommen, von dem Nelly schon so viel erzählt hatte. Hätte er zu dem eher eifersüchtigen Typ Mann gehört, wäre er wahrscheinlich schon ein wenig nervös geworden, obwohl ihm klar war, dass die gegenseitige Wertschätzung der beiden rein professioneller Natur war und ihre enge Zusammenarbeit ganz von den speziellen Anforderungen ihres Berufs herrührte. Trotzdem betrachtete er das Gesicht seines Gegenübers mit geradezu detektivischem Interesse. Gerolamo blieb ungerührt. Er trug eine dunkle Sonnenbrille, die seine Gefühle und Gedanken verbarg, sollte dies notwendig sein. Er schüttelte kräftig die Hand, die Carlo ihm entgegenstreckte, und musste unwillkürlich lächeln. Dieser stattliche Mann mit dem offenen Blick war ihm auf Anhieb sympathisch.
    »Mein Freund, Kapitän Carlo Mossotti«, stellte Nelly vor. Die Situation belustigte sie, und neugierig betrachtete sie die zwei

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