Schnee Im Regierungsviertel
macht durstig.«
Freiberg versuchte das Gespräch fortzusetzen. »Wir wollten in den Kneipen am Stadthaus mal herumhören, ob sich ein Geschäftchen machen läßt.«
»Mit mir nicht«, stellte der Kahle fest. »Aber da gibt’s immer ein paar Leute, die eine schnelle Mark verdienen wollen. Doch die kommen später, so gegen Mitternacht.« Damit war das Gespräch beendet, und der Wirt ging hinüber zu den Mädchen.
»Herr des Himmels, ist das eine triste Angelegenheit«, flüsterte Sabine. »Ich dachte immer, in den Rauschgiftkneipen geht’s rund wie zu Al Capones Zeiten während der Prohibition.«
Die beiden hielten sich, so lange es eben ging, an ihrem Bier fest. Der V-Mann ließ sich nicht sehen.
Nach einer Weile erhob sich Freiberg. »Entschuldige – Bier treibt«, murmelte er und ging durch die nur wenige Schritte entfernte Tür in den Keller. Eines der Mädchen stand auf und folgte ihm. Niemand sonst beachtete den Vorgang.
Schon nach ein paar Minuten kam Freiberg zurück. »Ganz passables Pinkolatorium da unten – mit ›Arbeitsräumen‹, wie mir scheint. Diese Mädchen sind schon Typen. Die Kleine vom Tisch drüben hat mich noch auf der Treppe angehauen: ›Ich brauch ‘nen Schuß. Laß die da oben Bier trinken. Wir erledigen das gleich nebenan. Mit ‘nem kleinen Braunen ist alles geritzt, und deine Mutti hat erst einmal Ruhe vor dir!‹ – Was sagst du dazu?«
Sabine verzog das Gesicht. »Und was hast du geantwortet?«
»Nichts als die Wahrheit: ›Da wird meine Mutti aber böse werden‹, habe ich gesagt.«
Sabine winkte dem Wirt. »Der kleine Waldi möchte zahlen.«
Freiberg legte das Geld auf den Tisch und grummelte etwas von noch mal vorbeikommen.
Der Wirt strich lustlos das Geld ein und warf es in die Schublade.
Das Mädchen aus dem Keller ging mit zögerlichen Schritten hinter die Theke und wandte sich an den Wirt. Der tätschelte ungeniert an ihr herum. Freiberg hörte ihn sagen: »Du weißt doch, Stoff gibt’s bei mir nicht; aber einen Fuffi schreibe ich dir noch gut; dann ist es aus mit dem Kredit.«
Sie ließ den Fünfzigmarkschein in ihrer Bluse verschwinden und hauchte ihm einen flüchtigen Kuß auf die Wange. »Heute nacht schaffe ich an; morgen hast du dein Geld zurück. Ehrenwort!«
Freiberg und Sabine atmeten tief durch, als sie wieder an der frischen Luft waren.
»Von mir aus können wir auf dem Alten Friedhof Spazierengehen. Dort kann die Tristesse nicht größer sein«, sagte sie.
»Du hast recht. Die Leute vom zweiten K. sind auch nicht zu beneiden um ihren Job.« Er zog Sabine an der Hand in Richtung Brauerei. »Komm, traben wir einmal ums Karree.«
Vor der Wache des Schutzbereichs IV an der Bornheimer Straße parkten zwei Polizeistreifenwagen. Hier schien alles ruhig zu sein. Um diese Zeit waren die Straßen verlassen und wirkten bedrückend.
In Höhe der St. Marienkirche fragte Sabine ziemlich mürrisch:
»Wohin nun? Glaubst du immer noch, daß du hier den Tod der Fixerin aufklären kannst?«
»Die Glaubensfähigkeit ist in der Mordkommission nicht gefragt«, antwortete Freiberg. »Versuchen wir’s noch im ›Tic-Tac‹. Das ist ein Schuppen mit Discomusik und kleiner Tanzfläche. Gestrippt wird manchmal auch. Vor allem sitzt man nicht so auf dem Präsentierteller wie im ›Mallum‹.«
In dem plattenbelegten Vorhof, der einstmals ein Vorgarten gewesen war, standen Fahrräder gleich dutzendweise und einige schwere Motorräder. Auf der Straße strichen ein paar Mädchen herum. Autos hielten an, und schnell waren Kontakte geknüpft. Die Männer in den Fahrzeugen der Mittelklasse schoben von innen die Beifahrertür auf, um die Mädchen einsteigen zu lassen.
»Leben die nicht gefährlich?« fragte Sabine. »Einfach so zu Fremden ins Auto zu steigen?«
»Ich nehme an, da steht jemand im Hintergrund und notiert Fahrzeugmarke und Autonummer.«
»Zuhälter?«
»Möglich, oder auch eine Freundin. Aber letztlich ist den kleinen Nadel-Nutten kein Risiko zu groß, wenn sie Geld für den nächsten Schuß ranschaffen müssen.« Freiberg drehte Sabine zur Seite. »Sieh mal, da steigt die Puppe aus dem ›Mallum‹ in einen Mercedes. Hoffentlich reicht’s für einen Hit und für die Einlösung des Ehrenworts dem Wirt gegenüber. Die nehmen es damit genauer als mancher Politiker.«
Das Mädchen winkte ihm triumphierend zu. Wenn der Schein nicht trog, dann dürfte wenigstens ein Blauer dabei herauskommen.
Durch die Tür schlugen ihnen ein Schwall verbrauchter Luft
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