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Schnee Im Regierungsviertel

Titel: Schnee Im Regierungsviertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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strahlten aus einem zarten, blassen Gesicht, und das dunkle Kleid, das offiziellen Anlässen vorbehalten war, ließ ihre Figur noch schlanker erscheinen.
    »Ich habe Kuchen mitgebracht und gute Laune. Heute abend machen wir einen drauf. Gissy und ihren Computerfreak können wir gleich anrufen – die kommen bestimmt.«
    Walter Freiberg zog Sabine zu sich herunter. Sie küßte ihn leidenschaftlich und wäre ohne Rücksicht auf den brodelnden Kaffee und ihr Kleid zu ihm unter die Decke geschlüpft, wenn er sie nicht sanft beiseite geschoben hätte.
    »Nun mein Commissarius – immer noch müde? Ist dir das Kegeln nicht bekommen?«
    Er stand auf. »Meine studentische Hilfskraft, ich freue mich mit dir über den neuen Job in der ÜB. Ganz toll, toi-toi-toi. Und wir gönnen uns auch Kaffee und Kuchen und einiges mehr. – Aber ich habe ein dickes Problem am Hals und möchte dich um Hilfe bitten.«
    »Wieder ein Mord?«
    »Es sieht so aus. Eine junge Frau. Lichtjahre jünger als wir, ist heute nacht an einer tödlichen Dosis Heroin gestorben.«
    »Und?«
    Freiberg gab ihr mit dürren Worten die Vorgänge am Kaiser-Wilhelm-Stein wieder. »Ich muß heute abend die Szene am Dreiländereck abklappern und ich hatte gedacht…«
    »…wir beide feiern in Junkiekreisen mit Äitsch und Koks.« Sabine lachte laut auf. »So allerdings hatte ich mir den Einstieg in den neuen akademischen Lebensabschnitt nicht vorgestellt. – Aber was soll’s? Das buchen wir auf Konto Lebenserfahrung.«
    »Da ist noch etwas«, sagte Freiberg mit gedämpfter Stimme und strich mit der offenen Hand über sein Gesicht. »Ich muß ihn abschneiden – aber das geht nur mit einer ganz scharfen Klinge.«
    Sabine tat erschreckt. »Um Gottes willen, Waldi, das willst du dir antun? Du hast doch nur den einen!«
    »Es muß sein – aus Sicherheitsgründen. Aber wenn du Wert darauf legst, lassen wir ihn einfach wieder wachsen.«
    Sie kicherte. »Noch ein Wunder des Malachias. In dieser Republik scheint nichts unmöglich zu sein. Aber ich kann leicht darauf verzichten.«
    »Also dann«, stöhnte er. »Machen wir uns sofort darüber her, oder trinken wir erst Kaffee?«
    »Das Schönste zuerst«, gab sie zurück und zwinkerte ihm zu.
    Das Dreiländereck am Rande der Nordstadt war durch drei markante Punkte gekennzeichnet. In der Kurfürsten-Brauerei blitzten auch nachts die Sudkessel im Licht starker Neonlampen. Ein paar hundert Meter entfernt standen die Konturen des Hochhauses der Stadtverwaltung hart im dämmerigen Himmel. Vier Etagen waren hell erleuchtet. Über dem dritten Bereich hinter der Mauer mit den kunstvoll geschmiedeten Gittern lagen die Ruhe und Dunkelheit des ewigen Friedens. Hier auf dem Alten Friedhof ruhten Beethovens Mutter, Schillers Gattin und sein Sohn. Unter einer mächtigen Eiche lag Ernst Moritz Arndt begraben – »Der Mann, der Eisen wachsen ließ« –, ein Mann, der Napoleon zum Teufel gewünscht hatte und dem der deutsche Nationalismus ein Anliegen des Herzens gewesen war.
    Hinter der Friedhofskapelle hatten sich einige alkoholisierte Stadtstreicher im Schutz der Büsche auf Zeitungen und Packpapier niedergelassen. Sie sangen andere Lieder. Ihre Droge war Wermut, und sie fühlten sich durchaus wohl im Reich der berühmten Toten.
    Kommissar Freiberg hatte seinen Wagen am Bahnhofsparkplatz abgestellt und ging mit Sabine an der langen grauen Friedhofsmauer entlang.
    »Wohin willst du mich eigentlich führen?« fragte sie und schauderte leicht.
    »Wenden wir uns nach links«, antwortete er. »Fangen wir im ›Mallum‹ an. Wir müssen den V-Mann finden.«
    Die kupfernen Lampen in dem kleinen Raum dämmerten vor sich hin. Der Wirt hinter der Bar, ein hagerer Mann mit kahlem Kopf, sah nur kurz auf, als die beiden Besucher sich an einen Tisch gegenüber der Toilettentür setzten. Nur ein Dutzend Gäste war im Raum. Zwei Mädchen, kaum siebzehn oder achtzehn Jahre alt, forderten Diesel mit Schuß. Aus dem Lautsprecher rieselte Softy-Musik. Gesprochen wurde wenig.
    Der Wirt sah fragend auf.
    »Zwei Bier, bitte«, bestellte Freiberg.
    »Pils oder Kölsch?«
    »Pils.«
    Das Zapfen ging viel zu schnell. Als der Wirt die Gläser auf den Tisch stellte, war die Schaumkrone schon zusammengefallen.
    »Fremd hier?«
    Freiberg nickte. »Meine Freundin hat ‘ne Bude gefunden. Wir haben unsere Klamotten zusammengeschmissen. Mal sehen, ob man von Krims und Antiquitäten leben kann.«
    »Zum Wohl die Herren«, sagte Sabine und hob ihr Glas. »Bonn zu Fuß

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