Schnee Im Regierungsviertel
wiedererkennen?«
»Schwerlich. Ich bin sicher, die Rotzbremse war angeklebt, und die Brille können wir auch vergessen.«
»Nun kümmere dich mal schön um die Mutti«, sagte Freiberg laut. »Ich muß zum Gärtner.«
»Vorsicht mit dem Pickeligen, das ist eine miese Ratte«, flüsterte Hoffie. »Ein falsches Wort und die Äitsch-Gang haut dich zusammen, daß du in keinen Sarg mehr paßt. – Laß ihn nicht zu lange warten.«
Das war nicht die Art von Ermittlungen, wie Freiberg sie in der Mordkommission zu führen gelernt hatte. Hier lief alles hautnah: Opfer, Täter, Anstifter und Nutznießer bildeten ein undefinierbares Gemenge. Es brauchte Monate, um die Strukturen dieser Szene zu durchdringen. V-Männer standen immer mit einem Fuß in der Illegalität, und sie mußten schon sehr feste Charaktere sein, um nicht dem schnellen Geld, den leichten Mädchen und der Droge zu verfallen.
Freiberg wußte von Barbara Fendt, daß Hoffie sich als Lieferant von Injektionsspritzen und von Zubehör wie Tiegel, Säuren, Lösungsmittel und für Antibiotika bei den Junkies einen anerkannten Status »erarbeitet« hatte. Damit blieb ihm weitgehend erspart, als Dealer aufzutreten. Aber ein gelegentliches Geschäft mit dem Stoff war auch für ihn unvermeidlich.
Im Garten erlebte Freiberg die Überraschung des Abends. Von einem Tisch an der rechten Seite löste sich eine jugendliche Gestalt und wankte so betont unauffällig auf ihn zu, daß jeder halbwegs wache Beobachter die Schau erahnen konnte. Kriminalanwärter Singer, den man dem 1. K. vorübergehend zur Verstärkung zugewiesen hatte, weil Peters nach seinem Einsatz im ›Dohlenhaus‹ noch nicht wieder dienstfähig war, rempelte Freiberg an. »Du brauchst ‘nen Hit, komm rüber an meinen Tisch. Jede Menge potente Lieferanten, alles meine Freunde.«
»Arschloch – hau ab!« stieß Freiberg ihn zurück – und diese Worte kamen aus tiefstem Herzen. »Mach Mücke, Mann; du störst die Gäste.«
Vom Tisch in der linken Ecke des Gartens sah der Pickelige gespannt herüber. Ihm schien die Vorstellung nicht zu gefallen. Anwärter Singer wankte wieder zu seinem Tisch zurück; er schien doch wohl ein paar scharfe Sachen zuviel getrunken zu haben.
»Kennst du den?« fragte der mißtrauisch gewordene Geschäftsfreund. »Sieht aus wie ein Jungbulle – fehlt nur noch der Ring in der Nase.«
»Nie gesehen«, sagte Freiberg leichthin. »Scheint eher Mamis Liebling zu sein.«
»Dann schicken wir ihn gleich in die Heia«, feixte der Pickelige und gab ein Zeichen mit der Hand.
Im Nu standen zwei Lederwestenmänner wie aus dem Boden gewachsen an Singers Seite. Man hörte einen kurzen Schlag, und der Mime lag am Boden. In Kommissar Freiberg kochte die Wut hoch. Dieser Dummkopf Singer war auf dem besten Wege, die gerade anlaufende Fahndung zunichte zu machen, denn der Chef der Mordkommission konnte nicht dulden, daß ein Mitarbeiter vor seinen Augen zusammengeschlagen wurde, selbst wenn Freiberg ihm in diesem Falle die Abreibung gönnte. Doch bevor er eingreifen konnte, war schon alles vorüber. Die beiden Lederwesten rissen den Gestürzten, der sich die Hand aufs linke Auge hielt, brutal hoch und schoben ihn durch die Pforte auf den Weg zum Nachbargrundstück. Mit einem Knall fiel das blechverkleidete Holztor ins Schloß.
Die beiden Männer setzten sich auf ihre Stühle und prosteten dem Pickeligen zu. An den nächststehenden Tischen wurde gelacht. Damit war der Vorfall abgetan.
»Besoffene haben wir nicht so gern. Und wenn’s ein Jungbulle war, werden wir es schon erfahren. Aber mit dem Veilchen ist der nicht so bald wieder an Deck. – Hier, die Ware: hohe Konzentration, so um die fünfunddreißig Prozent; also nicht wild drauflosdrücken. Wir müssen besonders vorsichtig sein. Wenn das mit dem Mädchen vom Denkmal stimmt, dann wird uns bald die schöne Barbara aus dem Bullenkloster auf den Pelz rücken. – Kommst du jetzt häufiger?«
»Bestimmt«, antwortete Freiberg. »Meine Tussi braucht’s.«
»Okay, ich geb’ dir zehn Prozent auf den doppelten Hunipack. Daraus kannst du leicht sechs brauchbare Hits machen. Du siehst, bei mir sparst du ‘ne Menge Mäuse.«
Freiberg hätte den Geschäftsfreund gern noch gefragt, ob er mehr über den Käufer mit Schnurrbart und Nickelbrille wisse, doch eingedenk der Warnung von Hoffie und der eben vorexerzierten Schlagkraft der Lederwesten-Männer unterließ er es und verabschiedete sich lieber. »Wird höchste Zeit, daß wir ein
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