Schnee Im Regierungsviertel
Lupus ein mageres Ergebnis.
Kommissarin Fendt und Ahrens hatten nach Abklärung aller verfügbaren Quellen nur eines mit Sicherheit feststellen können: »Keine neuen Erkenntnisse«. Die in den persönlichen Unterlagen der Toten auf einem Blatt vermerkten Telefonnummern schienen noch aus dem Kanzleramt zu stammen. Für die Ermittlungen waren sie unergiebig, denn sie gehörten zu Botschaften und Verbänden, mit denen Irmela Ellers offenbar dienstlich zu tun gehabt hatte.
Kommissar Freiberg nahm beim Mittagessen in der Kantine die Berichte seiner Mitarbeiter entgegen. Es gab Gulasch – und so sah es auch aus. »Der Stand der Ermittlungen ist noch schlechter als das hier«, sagte Freiberg und blickte angewidert auf seinen Teller. »Diese nächtliche Figur von Mann wollen wir mal im Hinterkopf registrieren. – Aber ich habe noch an etwas anderem zu knabbern.«
»Hast du Knochen in der Soße? Dann müßte eigentlich auch Fleisch zu sehen sein«, frotzelte Lupus.
Freiberg schob den Teller von sich. »Spaß beiseite, Freund und Kegelbruder. Warum Heroin statt Kokain?«
»Wo ist da der Unterschied? Gift ist Gift!«
»Barbara, schlaue Kommissarin«, sagte Freiberg, »warum stirbt ein Fixer an Heroin, wenn er kokainsüchtig ist? Geht das mit dem Stoff so hin und her? Ich frage, weil die Ellers wegen Kokain-Schnüffelei aus dem Amt geflogen ist. Gestorben ist sie aber an Äitsch.«
Barbara Fendt hatte keine zwingende Erklärung. »Schnee und Äitsch trennt einiges – ich will nicht sagen Welten. Aber die Konsumentenkreise liegen oft weit auseinander. Umstieg auf Heroin bedeutet Abstieg, und wer einmal an der Nadel hängt, für den bringt geschnüffelter Koks nicht Feuer genug. – Ich sehe Gründe für den Wechsel eigentlich nur im Preis und in der Verfügbarkeit. Äitsch ist etwas billiger und im Dreiländereck immer zu haben.«
Freiberg verrührte einen Klacks Sahne in der Schokoladenspeise und verkündete: »Heute abend werde ich mich dort umsehen. Ich verdrücke mich gleich, um noch eine Mütze voll Schlaf zu nehmen. Die Nacht war kurz und der Tag wird lang. Damit wir nichts übersehen: Versucht doch mal, ein paar von diesen Mitternachtsschnuppies aufzutreiben. Lupus, dich wird es gewiß interessieren, was für Typen den Panorama-Clan bilden. Übrigens – wie war der Empfang daheim?«
»Meine Frau muß erst in der Zeitung lesen, warum ihr Staatsdiener so gefordert war. Mord nach Redaktionsschluß ist nicht gut für ein harmonisches Eheleben. Aber Presse-Mauser wird’s schon richten. Ich habe mit ihm gesprochen; der schreibt mir ein Alibi.«
Der Kommissar lachte. »Ich wende mich jetzt von euch; laßt euch den Appetit nicht verderben.« Damit stellte er Teller und Schälchen auf das Selbstbedienungstablett und brachte alles zur Geschirrannahme.
An den warmen Tagen des Frühsommers war das Souterrain-Appartement angenehm temperiert. Walter Freiberg hatte noch vor Beginn des Winters für viel Geld einen schweren Berberteppich gekauft. Dadurch war die Fußkälte gebannt und im Falle eines Falles brauchten keine langen Überlegungen angestellt zu werden, wo man sich zu fröhlichem Tun niederlassen konnte. Das Chaos beim Aufbruch nach der viel zu kurzen Nacht war mit wenigen Handgriffen beseitigt. Freiberg nahm als Schlummertrunk ein Glas Johnnie Walker und stellte ein weiteres Glas auf den Tisch. Sabine, die ja am Nachmittag vorbeikommen wollte, würde das Angebot zu schätzen wissen. Er legte sich auf die Couch, kroch mit einem wohligen Grunzen unter die Decke und war in wenigen Minuten eingeschlafen.
Die Sonne hatte sich durch die Häuser gezwängt, und die gewölbten Eisengitter vor den beiden Fenstern warfen lange, gekrümmte Schatten in den Raum. Sabine Heyden hatte sich mit dem Gefängnischarakter der Wohnung ihres »Commissarius« immer noch nicht anfreunden können. Wenn die Gitter nicht gewesen wären, hätte sie ihre Studentenbude in der Beethovenstraße längst geräumt und wäre zu ihm gezogen.
Heute hatte sie Kuchen mitgebracht, um diesen für sie so wichtigen Tag zu feiern. Leise war sie an dem schlafenden Freund vorbei in die Pantry gegangen und hatte die Kaffeemaschine angemacht.
»Nicht Ambra und Moschus, sondern Kaffee und Sabine; welch göttlicher Hauch in meinem Gefängnis«, kam eine Stimme von nebenan.
Sie setzte sich zu ihm. »Du siehst richtig putzig aus, wenn du schläfst«, sagte sie liebevoll und strich mit dem Zeigefinger über sein Bärtchen. Ihre braunen Augen
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