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Schnee Im Regierungsviertel

Titel: Schnee Im Regierungsviertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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Fliegerklamotten der zwanziger Jahre auszustaffieren. Die Damen trugen Kappen mit wehenden Ohrenschützern und Baskenmützen mit hoch auf den Kopf geschobenen Fliegerbrillen, dazu Stoff- oder Lederwesten über weißen oder knallbunten Blusen. Teure Schals umschlangen zarte Hälse und verdeckten goldene Ketten und Klunker aller Größen, die am Abend beim »Charly-Schwof« gezeigt werden sollten.
    Bei den Männern dominierten Schiebermützen mit einem Druckknopf auf dem Schirm, Lederjacken und Fliegerhemden nach altem Schnitt. Alles wirkte sehr schick und so unerhört ›in‹.
    Die Geschichte des Flugplatzes war auch recht bewegt. Zu Kaisers Zeiten hatte auf dem Heideboden das Bonner Regiment der schneidigen Königshusaren, »Lehm op’s« seine Attacken geritten. Aristokraten und die Damen der Gesellschaft hatten – im Damensattel natürlich – an Pferderennen teilgenommen. Alsbald tummelten sich die Aviatiker und Flugkünstler am Himmel. Im Ersten Weltkrieg lag hier zum Schutz von Köln eine Kampf-Einsitzer-Staffel. Dann kamen wieder die Sportflieger. Auch die weltbekannte Liesel Bach aus Beuel und Kunstflugmeister Falderbaum aus Niederpleis drehten ihre Loopings. Bald zeigte die neue Zeit ihr Gesicht. Von Hangelar aus war Hitler nach München gestartet, um die große Mordaktion »Röhmputsch« einzuleiten. Später lagen hier Stuka- und Jagdverbände der Luftwaffe. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Flugplatz von Bomben umgepflügt. Danach war erst einmal Pause. – Doch nun hängen sie wieder am Himmel: die Flugschüler der Luftfahrerschule, die Sport- und Geschäftsflieger, aber auch der BGS mit seinen Helikoptern. – Und die Anlieger sind sauer, weil es in den Ohren dröhnt.
    Jan Kubitzka empfing den ausgelassenen Clan vor dem Flughafenlokal »Cumulus« mit viel Hallo und Küßchen.
    »Hier drinnen werden wir heute abend das Tanzbein schwingen. In der Kristallbar gibt es dann etwas zu naschen. Doch erst wird geflogen. Die Wetterfrösche sind uns wohlgesinnt; es bleibt trocken und warm. Auf der Wiese am Platzrand stehen Tische und Stühle. Für kühle Drinks ist gesorgt«, erläuterte er die Planung. »Noch eine Bitte: Wir bleiben hinter dem Zaun, sonst gibt’s Ärger mit der Luftaufsicht. – Für alle habe ich ein Präsent zur Erinnerung an Lindberghs ersten Flug über den Ozean, und beim Schwof werden noch einige Flüge nach Holland und Belgien verlost.«
    Kubitzka zeigte mit der Rechten auf den neben ihm stehenden Mann. »Hier stelle ich euch einen weitgereisten Kollegen aus der Fliegerei vor. Wir haben schon in Südamerika manchen Whisky miteinander getrunken und uns hier wiedergetroffen. Mario Pavone heißt er und ist auch kein Kind von Traurigkeit. Mario kümmert sich heute um das Management.«
    »Bravo Jan und Mario! Sie leben hoch!« rief Alexa Reese, und der Clan fiel begeistert ein: »Sie leben hoch!« Alexa gehörte zwar nicht zu den Frauen mit größerem Firmen vermögen im Hintergrund, doch ihre Position im Europaministerium, ihr sportlichelegantes Auftreten und ihre zupackende Art hatten sie in der Hackordnung der Schnuppies nach oben steigen lassen. Eine Schönheit war sie nicht. Das lange, zu einem Pferdeschwanz gebundene rotblonde Haar unterstrich die Blässe der mit Sommersprossen bedeckten Haut. Hellblaue Augen boten wenig Kontrast. Heute hatte sie es wieder einmal verstanden, mit Fliegerbrille, rosa Schal und Queensjackett das Eigenwillige ihrer Erscheinung zu unterstreichen. Im Clan wußte man, daß sie an Jan Kubitzka »einen Narren gefressen« hatte.
    Die Kavalkade zog weiter. In der Nähe von »Tant’ Tinchen«, dem Traditionslokal des Aero-Clubs, wurden die Fahrzeuge abgestellt. Hier hatte in früheren Jahren die Fliegermutter den frischgebackenen Piloten die Krawatte abgeschnitten und viele hungrige Mäuler gestopft – manchmal ohne Bezahlung.
    Bei der Sitzgruppe am Platz hatte »der Neue« einen Pfahl mit Pappschild in den Boden gesteckt: »Käses Rundfahrt«. So lautete das Motto für den Flug über Bonn und das Siebengebirge.
    Mario Pavone hätte man für einen Südfranzosen oder Sizilianer halten können: mittelgroß, dunkle Augen, schwarzes Haar. Die leichten Fettpolster unter dem Kinn ließen darauf schließen, daß er gutem Essen nicht abgeneigt war. Neben ihm standen zwei größere Pappkartons. Jan Kubitzka, der King des Clans, wandte sich an die Runde: »Damit Mario sich die Namen besser merken kann, bitte ich die Aufgerufenen zu mir zu kommen und das ganz persönliche

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