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Schnee Im Regierungsviertel

Titel: Schnee Im Regierungsviertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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verleihen gedachte. Aber der Reiz der Landschaft lag nicht in der Urbanität, nicht in Betonklötzen und vielspurigen Autostraßen, sondern in der grünen Harmonie der Erhebungen des Siebengebirges, der Gärten und Parks mit den Wasserflächen von Sieg und Rhein und der Kunstseen des Gronau-Geländes inmitten des Regierungsviertels.
    Beim Anflug zur Landung ließen die kleinen blauen Vierecke der Swimmingpools in den Gärten der Einfamilienhäuser etwas von dem verdeckten Wohlstand der Bewohner der Stadt erahnen. Hier agierten nicht nur zweifelhafte Politmanager, ehrgeizige Staatsdiener, selbstbewußte Universitätsprofessoren und arbeitsame Bürger; hier lebten auch siebenhundert Millionäre, für welche die Ruhe als erste Bürgerpflicht den höchsten Stellenwert genoß.
    So glatt wie der Start verlief auch die Landung. Bei der zweiten »Fuhre« war der Legationsrat mit von der Partie. Über Rhöndorf, wo der große Alte gelebt hatte, machten ihm plötzlich auftretende Fallwinde ziemlich zu schaffen, aber als geschulter Diplomat gelang es ihm, die Eröffnungsdrinks bei sich zu behalten. Siebenmal mußte Jan Kubitzka seine Cessna in die Höhe bringen, bis alle Mitglieder »airborn« waren. Jeder von ihnen ließ auch sein neues Bordcase an dem Ereignis teilhaben – nun war es echt.
    Während Mario Pavone die One-seven-two auf ihrem Standplatz festzurrte und der fliegende Konsul seinen Schnuppie-Clan zum Restaurant geleitete, überlegten Ahrens und Fräulein Kuhnert, ob es noch sinnvoll sei, das Treiben der kostümierten Lindbergh-Freunde weiter zu beschatten. Doch ein unauffälliges Beobachten schien nicht möglich zu sein, obwohl die Kommissarin im Ehrenamt gern noch geblieben wäre.
    »Lieber nicht«, sagte Ahrens. »Wir wollen das Erreichte nicht gefährden. Noch kennt uns niemand von diesem verrückten Verein. – Die Filme müssen in die Dose, dann trocknen und Abzüge machen. Damit sind zwei Stunden weg. – Und schließlich sollte sich zwischen uns beiden in der Dunkelkammer auch noch etwas entwickeln.«
     
     
    Die Damen des Clans hatten es jetzt eilig, Kappen, Fliegerbrillen und die Schals abzulegen und mit ein paar Handgriffen dafür zu sorgen, daß das Dekollete die teure Haut bis zum Nabel freigab. Viel Gold und Glitzerndes, echt oder nur so aussehend, wurde zur Schau gestellt. Die Herren hängten die Lederjacken über die Stuhllehnen und lockerten einige Knöpfe. Sekt wäre für dieses Festival zu profan gewesen; in den Kühlern wartete Moet et Chandon. Da man schon am Flugfeld nach geglückter Landung rustikal gegessen hatte, gab es jetzt nur noch Kanapees und Kleinigkeiten am Spieß.
    Hinter einem malerisch drapierten Fallschirm verbarg sich die »Kristallbar«; sie wurde vom fliegenden Konsul höchstpersönlich betreut. Kellner hatten keinen Zutritt.
    Zum Charly-Schwof spielten die Hexer auf, eine Drei-Mann-Band, die durch ihre Auftritte in der Bonner Szene bekannt geworden war. Mit einem Charleston aus dem Lindbergh-Jahr 1927 wurde der Tanz eröffnet. Dann kam auch schon die »Nugget Lady«, der Erkennungssound des Clans. Die Körper drängten sich auf der winzigen Tanzfläche aneinander, und kleine spitze Schreie unterstrichen das Außerordentliche dieses Tages.
    Die Hexer rissen die Schnuppies immer wieder von den Stühlen, bis Kubitzka nach einem hochgezogenen Tusch noch einmal das Wort ergriff, um seine Fluggäste – wohlbehalten – auf dem Boden zu begrüßen. Er wies darauf hin, daß es für alle, auch für ihn, den fliegenden Konsul – o ja, er wisse von dem Spitznamen und sei stolz darauf –, ein besonderes Ereignis sei, Lindberghs Flug über den Ozean in diesem Kreis zu feiern. Dann hob er die Stimme: »Ich habe noch zwei Fakten mitzuteilen: für diejenigen, die sich mal entspannen wollen, steht mein Wohnmobil auf dem Parkplatz bereit, und« – Kubitzka ließ eine Kunstpause eintreten – »für denjenigen, der keine Kosten und Freuden scheut, ist die Kristallbar geöffnet. Ich stehe jederzeit als Barkeeper zur Verfügung. Die Verlosung der Flüge erfolgt um Mitternacht.«
    Klatschen, Trampeln und Bravorufe. Die Fete versprach ein Happening ganz nach dem Geschmack der Schnuppies und Pseudos zu werden.
    Ein neuer Tusch, ein neuer Tanz. – Als erste zupfte die blonde Monika aus dem Forschungsministerium den fliegenden Konsul am Ärmel. »Jan, ich brauche Schnee, bitte.«
    Er führte sie mit ein paar Tanzschritten hinter den Fallschirm. Hier sah es wirklich aus wie in einer intimen Bar.

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