Schnee Im Regierungsviertel
Auf zwei kleinen Tischen standen wenige, aber erlesene Alkoholika aus aller Welt, die steuerfrei als Diplomatengut über die Grenze gekommen waren. Dazu Gläser und Siphons. Doch die Insider wußten, daß hier keine Cocktails genommen wurden. Die Getränke dienten nur der Tarnung, für den Fall, daß unbefugte Augen einen Blick hinter die Fallschirmkulisse werfen sollten.
»Aber zahlen kann ich heute nicht«, sagte Monika und sah Kubitzka mit flehenden Augen an.
Er schob ihr lächelnd einen Zettelblock zu und drückte ihr den Kugelschreiber gleich in die Hand. »Du weißt, ich muß das Geschäftliche vom Vergnügen trennen. Unterschreib nur, und du bist für heute abend alle Sorgen los.«
»Schnee und du, das macht glücklich«, sagte sie leise; dabei unterschrieb sie mit fahrigen Bewegungen einen Schuldschein über zweihundert Mark. »Wie viele Autogramme von mir hast du eigentlich schon?«
»Einige – aber das soll dich nicht belasten. Du kannst alles leicht tilgen«, stellte er wie nebenbei fest.
»Mit Sex?« fragte sie, und es klang traurig.
»Dummchen, das ist doch nicht das einzige Zahlungsmittel. Ich brauche ein paar Informationen über die neuen Entwicklungen der Optoelektronik, damit meine kleine Republik den Gangstern in Amerika und Rußland nicht jedes technische Detail mit teuren Devisen abkaufen muß. Du brauchst die paar Blätter nur zu fotokopieren, und mit dem Honorar ist dein Konto ganz schnell wieder getilgt. Glaub mir, Entwicklungshilfe ist nicht immer eine Sache langweiliger Delegationsverhandlungen und dicker Staatsverträge. Sie fängt im kleinen an, und wir beide können unseren Teil dazu beitragen.«
Sie nickte und achtete genau auf jede Bewegung seiner Hand, die einen Kristallspiegel zwischen den Gefäßen hervorzog.
»Komm, setz dich zu mir«, sagte er zärtlich und formte einen sauberen Ein-Dollar-Schein zu einem strohhalmähnlichen Röhrchen. »Hier!«
Ihre Hand zitterte leicht, als sie den gedrehten Dollar zwischen Daumen und Mittelfinger hielt. Mit starren Augen verfolgte sie das Ritual, mit dem der Konsul den Schnee servierte.
Jan Kubitzka vergewisserte sich, daß der Spiegel blank und trocken war. Dann entnahm er der Schublade das kleine Fläschchen mit der aufgesetzten Gieße, ähnlich einem Zuckerstreuer, und drehte den Verschluß auf. Mit einer bedächtigen Bewegung zog er vier gehäufelte Spuren des Stoffs, der wie feingemahlener Zucker aussah, in fünf bis sechs Zentimeter Länge über den Spiegel.
Die blonde Monika senkte den Kopf und führte das Dollar-Röhrchen vorsichtig in das linke Nasenloch ein. Dann schnüffelte sie langsam die ersten beiden Spuren von der Glasplatte ab. Dabei seufzte sie wohlig und streckte sich. Nach einer kurzen Pause wechselte der »greenback« zur anderen Nasenseite, und die beiden übrigen Spuren des Pulvers verschwanden wie Schnee in der Sonne.
Kubitzka reinigte den Spiegel und stellte ihn wieder dekorativ zwischen die Flaschen. Die Schublade mit dem Stoff schloß er sorgfältig ab.
»Du wirst tanzen wollen«, sagte er und reichte Monika seinen Arm.
»Ich will dich«, sagte sie nicht einmal leise. »Laß uns zu deinem Mobil gehen, mon bonhomme de neige.«
»Später«, wehrte er ab. »Du siehst doch, ich muß auch die anderen versorgen.« Damit winkte er Felix, den Sohn des Rennstallbesitzers, herbei und schob ihm Monika in die Arme.
Die Hexer gaben Power über die Lautsprecher und die swinging Schnuppies wurden immer ausgelassener. Je öfter der fliegende Konsul hinter den Fallschirm treten mußte, desto höher schlugen die Wellen der Begeisterung. Manche fühlten sich wie die tollkühne Männer in ihren fliegenden Kisten.
Der Legationsrat, dem die Fallwinde über Rhöndorf zu schaffen gemacht hatten, schnüffelte eine große Portion und ließ sich noch ein Pulverbriefchen geben, um für das Wochenende gerüstet zu sein. Er unterschrieb, ohne mit der Wimper zu zucken, einen Schuldschein über fünfhundert Mark. Jan Kubitzka wußte, daß er diesen Zeitgenossen bald an dem Punkt haben würde, an dem es kein Zurück mehr gab.
Mario Pavone hatte sich zu Alexa Reese gesetzt und sie in ein Gespräch verwickelt. Er erzählte ihr von Flügen in Süd- und Mittelamerika, bei denen er den Konsul kennengelernt hatte.
»Jan hat dort seine Dollars und Pesos gemacht und ist heute ein angesehener Repräsentant einer Firma für Anlagebau mit dem Sitz im Ruhrgebiet. Als Honorarkonsul hält er immer noch engen Kontakt zu seinen alten Freunden
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