Schnee Im Regierungsviertel
Geschenk in Empfang zu nehmen. – Doch erst einen Drink gegen die Flugangst.«
»Drink ja – Angst nein«, tönte der Vortragende Legationsrat vom Auswärtigen Amt und fügte, um es ganz gescheit auszudrücken, hinzu: »Cheers, we want to be airborn.«
»Cheers«, echote es in der Runde.
Jan Kubitzka hatte den Deckel des Transportkartons hochgeklappt und rief den ersten Namen auf: »Alexa Reese!« Sie zog demonstrativ ihre Luftfahrerbrille über die Augen, warf den Schal um die Schulter und trat erwartungsvoll vor.
Mit großer Geste zog Kubitzka eine bordeauxrote Fliegertasche mit Schulterriemen aus dem Karton. Das Material war feinstes Nappaleder, sorgfältig verarbeitet. Man sah zwei vorgesetzte Kartentaschen und ein Sichtfenster für das Namensschildchen. Ein solches hatte der King für jeden in Goldprägedruck herstellen lassen. Jetzt schob er das Kärtchen mit dem Namen »Alexa Reese« in das Sichtfenster ein und hängte ihr die Tasche um. Der Clan spendete reichlich Beifall, als einer nach dem anderen sein Präsent in Empfang nahm. »Damit wir nicht allzu uniform wirken, erhalten die Damen das Souvenir in sattem Rot, die Herren in Anthrazit – die Farbe Koks gibt es ja leider nicht.«
Der Witz kam an, die Runde brach in Gelächter aus.
»Jetzt aber zum Rundflug«, erläuterte Kubitzka. »Es kommen immer drei Passagiere nach draußen. Meine Cessna One-seven-two hat vier Plätze. Einen davon brauche ich – oder sieht das jemand anders?«
»Das wollen wir doch nicht hoffen«, sagte Alexa Reese gedehnt und hängte sich bei Kubitzka ein.
Ahrens und Fräulein Kuhnert hatten sich unter die Besucher gedrängt, die das Starten und Landen der Sportflugzeuge und den Windenschlepp der Segelflieger beobachteten. Die Aufmerksamkeit für das Treiben der kostümierten Flieger, welche von den meisten Wochenendbesuchern ohnehin für leicht verrückt gehalten wurden, ließ bald nach. Nur Ahrens hatte seine Kamera mit dem 200 mm Tele immer wieder schnell am Auge, wenn ein neuer Name aufgerufen wurde, und der oder die Beschenkte sich mit Posen der Selbstdarstellung beim Spender bedankte. Niemand konnte erkennen, daß die Optik nicht auf die abhebenden und einschwebenden Flugzeuge, sondern auf die Darsteller der Aktion »Käses Rundfahrt« gerichtet war. Fräulein Kuhnert mußte allerdings den Versuch, die Namen zu verstehen und zu notieren, bald aufgeben. Die Entfernung war zu groß, und der leichte Wind trug die Worte davon. Jan Kubitzka ging mit Alexa Reese und Felix, dem Sohn des Rennstallbesitzers Klonthofer, sowie einem pummeligen Blondchen mit hektisch geröteten Wangen zum Flugzeug und bugsierte sie auf ihre Plätze.
Die Cessna 172, ein abgestrebter Hochdecker mit starrem Fahrwerk, hatte schon fast die ganze Welt umrundet. Schnell war sie mit ihren rund zweihundert Stundenkilometern nun wirklich nicht, und die lahmen hundertsechzig PS machten den Steigflug auch nicht zu einem Sturm in den Himmel. Doch das Flugzeug, von dem die Amerikaner und Franzosen über fünfunddreißigtausend Stück gebaut hatten, galt rund um den Globus als zuverlässig und »idiotensicher«. Zweihundert Meter holprige Grasnarbe genügten jedem halbwegs erfahrenen Piloten, um die One-seven-two auf den Boden oder in die Luft zu bringen. Start und Landung auf der breiten Betonpiste in Hangelar waren ein reines Vergnügen.
Die Luftaufsicht wußte, daß der »Fliegende Konsul«, wie Kubitzka hier allgemein genannt wurde, mit seinen Lindbergh-Freunden ein paar Runden über Bonn und das Siebengebirge drehen wollte. – Vom Tower kam über den Sprechfunk die Luftdruckangabe in Hektopascal und die Zuweisung der Startbahn zwo-neun. Was nichts anderes zu bedeuten hatte, als daß auf der Betonpiste bei dieser Windrichtung mit 290 0 Kompaßkurs, also etwa Richtung Westen, gestartet wurde.
Trimmung und Landeklappen in Startstellung, Höhenmesser auf QNH eingestellt, anrollen, noch ein kurzes Abbremsen des Motors, dann den Stachel rein, und ab ging die Post. Die Fernsicht hätte besser sein können, doch aus der geringen Höhe waren alle markanten Punkte der Bundeshauptstadt klar zu erkennen. Auf den drei Brücken über den Rhein herrschte dichter Verkehr. Zwischen den Frachtschiffen flitzten Sportboote hin und her, und die Fassaden des neuen Gästehauses der Bundesregierung auf dem Petersberg leuchteten in der Sonne. Am Westufer des Rheins ließen zahlreiche Großbaustellen erkennen, daß Bonn seinem Provisorium als Bundeshauptstadt Dauer zu
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