Schnee Im Regierungsviertel
jenseits des Ozeans.«
»Aber er ist doch Deutscher«, wunderte sich Alexa.
»Durchaus richtig«, bestätigte Pavone. »Die Bananenrepublik wird schon wissen, was sie an ihm hat. – Ich habe dort auch mal für eine kurze Zeit am Himmel gehangen, aber die Geschäfte haben mich schon bald in den Nahen Osten, man könnte auch sagen in den Vorderen Orient, verschlagen. – Wo Kriege stattfinden, wird vieles gebraucht.«
»Waffen?« fragte Alexa direkt.
Pavone lachte. »Wenn es so wäre, würde ich es nicht sagen; aber ich stehe gewissermaßen auf der anderen Seite. Wo Granaten explodieren, braucht man auch Medikamente und Chemikalien. Hier am Rhein gibt es ja Weltunternehmen in allernächster Nachbarschaft, und ein Kaufmann hat es nicht schwer, gute Verbindungen zu den ministeriellen Instanzen zu schaffen. Dadurch lassen sich die Verfahren für Exportgenehmigungen verkürzen.«
»Auch wenn es einiges kostet!« warf Alexa ein.
»Gerade dann«, bestätigte er mit einem breiten Lächeln. »Dann flutscht es besonders gut. Mein Geschäftssitz in der Bundeshauptstadt ist sein Geld wert.«
»Sie sind kein Deutscher, oder?«
»Doch, schon seit Jahren, aber ich bin auch Italiener. So eine Doppelstaatsangehörigkeit kann ganz nützlich sein. – Aber warum siezen wir uns? Sind wir hier nicht alle Freunde?«
»So sollte es sein! Das ›du‹ ist gängige Münze. Also zum Wohl, Mario.«
»Zum Wohl, Alexa.« Der Champagner war kalt, und der Kuß war echt, doch er blieb noch im Bereich des Unverbindlichen.
»Hast du auch ein Flugzeug?«
Mario hob bedauernd die Schultern. »Ich hoffe, bald wieder. Meine Piper-Cheyenne wurde auf dem Flugplatz von Beirut von einer Bazooka erwischt – total hin die Kiste. Aber ich werde hier schon etwas Passendes finden. Jan hört sich um, ob jemand den richtigen Flieger zum vertretbaren Preis loswerden will. Das braucht seine Zeit. Schließlich will man nicht mit einer abgenudelten Mühle vom Himmel fallen.« Mario deutete ungeniert mit dem Daumen zum Nachbartisch. »Wer ist denn die Frau im Goldlame?«
Alexa sah hinüber. »Unsere Gräfin; vermittelt jedes Bauherrenmodell und hängt am Legationsrat. Aber den kannst du bei Bedarf abservieren. Gib ihm eine Portion Schnee, und er drückt beide Augen zu.«
»Und wie wär’s mit uns?«
»Das läuft nicht. Oder möchtest du dem Konsul einen Grund verschaffen, bei der Suche nach einem Flieger den abgenudelten Typen den Vorzug zu geben?« Alexa sah Mario mit Unschuldsmiene an. »Was nicht heißen soll, daß wir uns voreinander verstecken müssen. Solltest du mal im Europaministerium zu tun haben, könnte ich dir ein paar Tips geben – natürlich zum Freundschaftspreis.«
»Vive l’Europe!« dankte Mario und holte sich die Gräfin zum nächsten Tanz.
Jan Kubitzka hatte gesehen, daß sich Mario und Alexa angeregt unterhalten hatten. Er löste sich aus einer Gesprächsrunde und ging mit Alexa in die Kristallbar. »Was wollte denn dieser Windhund von dir?«
Alexa zögerte nicht mit der Antwort. »Mich anmachen – was sonst? Der geht direkt drauf los, gibt sich recht locker; aber so ganz traue ich ihm nicht.«
»Du tust gut daran. Ich würde ihm auch keine Vollmacht für mein Bankkonto erteilen«, stellte Kubitzka fest.
»Handelt er wirklich mit Medikamenten oder vielleicht doch mit Waffen?«
»Der handelt mit allem und für alle. Jetzt sucht er erst mal ein Second-hand-Flugzeug, und ich helfe ihm dabei.«
»Dann stimmt das also doch. Er hat mir erzählt, daß die Palästinenser ihm seine Piper kaputtgeschossen haben. – Ein interessanter Typ«, sagte Alexa und fügte nach einigem Überlegen hinzu: »Ob er so reich ist, wie er tut?«
»Das werde ich wissen, wenn er den Vogel bezahlen muß. – Aber nun zu uns beiden. Wir haben auch einige Probleme zu klären. Meine Chefs daheim möchten schon etwas mehr sehen, als du bisher geliefert hast. Schließlich haben sie saftige Vorschüsse geleistet. Ich hätte nie gedacht, daß du versuchst, mich hängen zu lassen.«
Alexa Reese war intelligent genug, das Spiel zu durchschauen. Doch sie hatte nicht mehr die Kraft, sich dagegen zu wehren. Was sie tat, hatte sie »umverarbeitet«: sie half ihrem Geliebten, und sie half einem kleinen Land, im Wettbewerb mit den wirtschaftlichen Riesen zu bestehen. Sie sah sich selbst nicht als Spionin – und sie brauchte den Schnee, um zu leben.
Ohne die Stimme zu heben, sagte sie: »Ich habe die letzten Pläne für die europäische Arbeitsteilung in der
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