Schnee Im Regierungsviertel
zeigte Sabine, wie leicht es war, mit dem Diktiergerät ein Gespräch aufzunehmen. »Die Qualität ist zwar jämmerlich, aber für unseren Zweck wird’s reichen. – Gib bitte niemals eine Telefonnummer für den Rückruf an, auch keine erfundene. Dahinter könnte wirklich ein Anschluß stecken – und dann gibt’s Ärger. Sag einfach, du würdest dich wieder melden. Das dürfte, wenn unsere Annahmen zutreffen, auch die Arbeitstechnik der Ellers gewesen sein.«
»Alles klar, Herr Kommissar; aber jetzt mußt du mich in die Beethovenstraße ziehen lassen. Morgen früh ist ein Gespräch über Katalogtechnik mit einem Bibliotheksrat, auf das ich mich vorbereiten muß.«
Freiberg sah sie traurig an. »Also doch Trennung von Tisch und Bett.«
Sabine ließ sich nicht beeindrucken. »Für heute – nur für heute, mein Schatz. Eine Mahlzeit am Tag muß genügen. Morgen hörst du von mir. Vielleicht haben dann die Gespräche mit den einsamen Herren meinen Appetit wieder angeregt. – Nun komm, spann deine Karosse an und fahr mich zur Beethovenstraße! ›Time is money‹, würde ein Callgirl sagen.«
10
Die vom Kripochef Dr. Wenders geleitete Frühbesprechung hatte weder ihm noch den Kommissaren und ihren Mitarbeitern neue Erkenntnisse gebracht. Auch die fordernden Worte des »Leitenden« hatten Hauptkommissar Freiberg nicht dazu bewegen können, die vage Vermutung im Fall Ellers zu offenbaren. »Keine neuen Erkenntnisse«, meldete er kurz und bündig. Hauptkommissar Handtke vom 2. K. ergänzte: »Für mich ist entscheidend, daß wir von den Junkies nichts hören; die können doch sonst das Wasser nicht halten. Diese absolute Ruhe bedeutet, daß die Ellers mit der Kleinszene im Dreiländereck nichts zu tun gehabt hat.«
»Wer ist der geheimnisvolle Mann, der Stoff und eine Spritze gekauft hat; weiß man etwas über ihn?« fragte Dr. Wenders.
»Leider nein«, mußte Freiberg einräumen.
»Und wie sieht’s im Umfeld aus?« insistierte der Kripochef. »Sie haben doch vor einigen Tagen diese Jeunesse dorée, die Schnuppies, oder wie sie sich nennen, erwähnt.«
Freiberg winkte ab. »Ahrens hat alle unauffällig fotografiert. Er war mit Fräulein Kuhnert auf dem Flugplatz Hangelar. Der Clan hat unter dem Motto ›Käses Rundfahrt‹ Flüge über Bonn und das Siebengebirge gemacht und abends in geschlossener Gesellschaft weitergefeiert. Wir konnten sie alle identifizieren. Das sind Leute, die Geld genug haben, um es bei verrückten Anlässen mit vollen Händen auszugeben – oder zumindest so tun als ob.«
»Könnten Sie kurz sagen, wer dabei war?«
»Aber ja. Wir hätten zu bieten: eine gut betuchte Gräfin, die jedes Bauherrenmodell vermittelt, einen Vortragenden Legationsrat vom Auswärtigen Amt, dann den Sohn des Rennstallbesitzers Klonthofer, ferner Alexa Reese, Angestellte im höheren Dienst des Europaministeriums, eine Referatsassistentin Monika Bakus aus dem Forschungsministerium, und endlich den stolzen Besitzer einer Cessna 172, den Liebling der Regenbogenpresse, den fliegenden Konsul Jan Kubitzka. Dann wäre da noch ein gewisser Mario Pavone, Großhändler in Chemikalien und Arzneimitteln, und ein paar Geschäftsleute aus dem Köln-Bonner Raum. Zur Abrundung des Ganzen noch zwei oder drei willige Mädchen, die immer dort aufkreuzen, wo sie Geld wittern. – Lupus und Ahrens haben sich mit den diskreten Ermittlungen die ganze letzte Woche um die Ohren geschlagen. Alles für die Katz! Offensichtlich hat Irmela Ellers nicht zum Schnuppie-Clan gehört; niemand will sie gekannt haben.«
Dr. Wenders dankte. »Ich hoffe, wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange. Ich denke doch, meine Pastorenkinder werden es schon schaffen. – Also, bleibt am Ball.«
Freiberg wollte weiteren Fragen der Kollegen aus dem Weg gehen und verschwand als erster in sein Zimmer. »Kuhnertchen!«
»Aha, er hat sich wieder gefangen«, freute sich die Seele des Kommissariats und steckte den Kopf durch die Tür.
»Also, Kommissarin ehrenhalber: Ich erwarte einen Anruf von Sabine und möchte nicht gestört werden. Ich hätte gern nachher aus der Kantine belegte Brötchen mit – das muß erst mal reichen. Die Truppe soll sich nützlich machen und dafür sorgen, daß Singer etwas lernt. Ich möchte Lupus, Ahrens und Barbara Fendt – aber nur die drei – um halb zwei hier bei mir sehen.«
»Gibt es was Neues, Chef?«
»Abwarten, verehrtes Fräulein Kuhnert. Sie sind auch dabei, pünktlich halb zwei.«
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