Schnee Im Regierungsviertel
Kollegen, schaut euch das mal an!«
Die Plastiktüte wanderte von Hand zu Hand.
»Tja, was könnte das sein?« fragte ein Ingenieur, der die Cessna in- und auswendig kannte. »In der Mitte im Abstand von eineinhalb Zentimetern zwei kleine Lötstellen. – Hartlot, vermute ich. Vielleicht war dort eine Verbindung aufgesetzt, eine Lasche oder ein Bügel. Jedenfalls könnten die beiden Punkte in Verbindung gestanden haben. Aber aus einer Cessna stammt das nicht, mit Sicherheit nicht.«
Der neben ihm stehende Kollege ließ sich die Hülle geben und hielt sie mit spitzen Fingern hoch. »Nie gesehen; in der Cessna nicht und in einem anderen Vogel auch nicht. Das Stück muß allerhand Druck bekommen haben.«
»Vielleicht gehörte der Gegenstand zu den Sachen, die der Pilot mit in die Maschine genommen hat«, schaltete Freiberg sich ein.
Der Leiter des Teams nickte zustimmend. »Möglich, – vielleicht ist es aber auch nachträglich eingebaut worden. Manche Piloten halten ihr Flugzeug für einen Metallbaukasten.«
»Aber das Ding muß doch eine erkennbare Funktion gehabt haben, wenn es im Flugzeug war«, drängte Freiberg mit wachsender Ungeduld.
»Das werden wir mit einiger Wahrscheinlichkeit im Laufe der Untersuchung in Braunschweig herausfinden. Das Cockpit und die Umgebung der Aufschlagstelle werden wir uns besonders gründlich ansehen. Wenn es sein muß, lassen wir den Boden abtragen und nehmen ihn mit. Hier bleibt nicht das kleinste Trümmerstück zurück. Nach dem Befund der Rechtsmediziner und unseren ersten Eindrücken werden wir von einer Explosion ausgehen. Wenn sie durch den Aufschlag verursacht worden ist, läßt sich das wahrscheinlich an der Eindringtiefe der Trümmer in das Erdreich feststellen. Und wenn wir die Explosion am Boden ausschließen, dann kann sie ja nur in der Luft stattgefunden haben.«
»Davon gehe ich jetzt schon aus«, stellte Freiberg fest. »Warum wäre die Cessna sonst abgestürzt?«
»Ich glaube das auch«, sagte der Leiter des Untersuchungsteams. »Aber der Glaube allein hilft uns nicht weiter. Wir müssen Beweise bringen, wissenschaftlich einwandfrei.«
Der Ingenieurkollege streckte die Hand aus. »Darf ich noch einmal sehen?«
Er drehte und wendete die Plastikhülle, hielt sie gegen die Sonne und ließ das Licht aus unterschiedlichen Winkeln darauf fallen.
»Vom Flugzeug – pur ist es nicht, da bin ich sicher. Ob es von einem nachträglich eingebauten Gerät stammt, können wir erst später sagen. Aber das Stück könnte vielleicht zu einer Gürtelschnalle gehört haben oder der Verschluß einer Fototasche sein.«
Freiberg riß dem Betrachter das Objekt aus der Hand. »Oder einer Fliegertasche?«
Der Ingenieur überlegte: »Warum nicht, auch das wäre möglich. Wir müssen abwarten, ob wir etwas finden, was dazupaßt. Können wir die beiden Teile behalten? Die dürften bei der Rekonstruktion in Braunschweig von besonderer Bedeutung sein.«
Kommissar Freiberg nahm seine Beute wieder fest in die Hand. »Das geht alles erst zurück in die Rechtsmedizin. Beweismittelsicherung und Spurensicherung. Ich weiß, das wollen Sie auch – bloß dauert’s bei Ihnen ein paar Wochen, oder? Wir werden uns schon einig werden.«
Freiberg steckte die Plastikhüllen in die Tasche und sagte: »Ich bewundere Sie rückhaltlos!«
»Wie bitte?«
»Daß es der FUS immer wieder gelingt, aus so einem Trümmerhaufen Rückschlüsse auf die Unfallursache zu ziehen.«
»Unser Job«, sagte der Teamchef bescheiden. »Ein Scheißjob manchmal, sage ich Ihnen. Oft gibt es Dutzende von Opfern, denken Sie an den Absturz der Verkehrsmaschine zwischen Essen und Düsseldorf.«
Freiberg ließ seinen Blick noch einmal über die Trümmer gleiten. Ein paar immer noch im Einsatz befindliche BGS-Männer winkten ihm zu.
»In diesem Fall glaube ich, daß wir gemeinsam ein Opfer – darf ich sagen – ›verwalten‹ müssen. Die Kripo bedankt sich für die Amtshilfe.«
»War das schon alles?«
Freiberg verzog den Mund zu einem Lächeln. »Ich sagte doch:
Zehn bis fünfzehn Minuten. Und es hat wirklich nicht länger gedauert. – Also auf ein Wiedersehen!«
20
Als Kommissar Freiberg bei »Tant’ Tinchen« ankam, machte Presse-Mauser den dritten oder vierten Versuch, seinem Freund Lupus Informationen über den Fall Irmela Ellers zu entlocken, Mauser schien Zusammenhänge zwischen Kubitzkas »Kokshandel« und dem Drogentod am Kaiser-Wilhelm-Stein zu vermuten.
»Heute weiß die Kripo
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