Schnee Im Regierungsviertel
einen prima Fotoassistenten. Der sitzt bei Pavone am Tisch und läßt sich Fliegermärchen erzählen.« Leiser fügte Mauser hinzu: »Warum bist du hier? Ist irgend etwas faul an der Sache?«
Lupus gab dem Pressemann einen Knuff: »Komm, gehen wir an die Theke ein kühles Kölsch trinken – du lädst mich ein.«
Kommissar Freiberg war kurz nach der Ankunft des Leichenwagens im Institut für Rechtsmedizin eingetroffen. Unauffällig und bedrückend zugleich empfand er das Gebäude am Stiftsplatz, in welchem er in Vertretung des Staatsanwalts schon mancher Autopsie beigewohnt hatte. Ihn beeindruckte immer wieder die kühle Nüchternheit des Saals, in dem Leichen zu Zeugen wurden und menschliche Schicksale ihre Deutung fanden.
Der Direktor des Instituts, Professor Klenze, begrüßte den Kommissar: »Na, Freiberg, wieder einmal bei uns? Heute hätten Sie Ihren Platz einem ganz jungen Staatsanwalt überlassen sollen. Verbrannte Absturzopfer sind kein schöner Anblick.«
»Sie sind es wirklich nicht«, bestätigte der Kommissar. »Ich war draußen an der Unfallstelle – da hing der Tote noch halb verdeckt vom Löschschaum im Cockpit. Die BGS-Hubschrauber waren Minuten nach dem Absturz vor Ort, aber zu retten war nichts mehr.«
Eine Helferin legte die Kittel bereit. Professor Klenze nahm einen Eukalyptus-Bonbon aus der Tüte und hielt sie auch Freiberg hin: »Nehmen Sie nur; das ist gut gegen den faden Geschmack. So ein Fall ist uns bisher noch nicht auf den Tisch gekommen. – Aber sagen Sie, wie konnte das passieren?«
Freiberg zuckte mit den Schultern. »Niemand kann sich den Unfall erklären. Zwei BGS-Hubschrauberpiloten waren Augenzeugen. Sie vermuten einen schlagartigen Ausfall von Mensch und Gerät – also eine Explosion. Und genau die ist bei der Cessna die unwahrscheinlichste aller Möglichkeiten. Vielleicht kann uns das Team von der Unfalluntersuchungsstelle bald mehr sagen – oder Sie, Herr Professor!?«
»Na, Kommissar Freiberg, dann wollen wir mal. Eine Explosion? Hm, dann sollten wir wohl röntgenologisch mit den Segmentaufnahmen beginnen. Dabei müßten sich Fremdkörper im Leichnam aufspüren lassen, Metallsplitter zum Beispiel.«
»Wie lange wird die Untersuchung dauern?«
»Wenn wirklich eine Explosion stattgefunden hat, müßten wir dafür einen Metallnachweis im Körper finden. In diesem Fall kann ich Ihnen schon in einer knappen Stunde etwas mehr sagen.«
»Danke. – Das FUS-Team geht an der Unfallstelle auch dieser Frage nach. Vielleicht ergänzen sich die Erkenntnisse.«
Freiberg ließ kein Auge von den Vorgängen und verfolgte jeden Schritt der Untersuchung. Ein paar Meter weiter hockte eine Gruppe von Studenten höherer Semester, die an einer Vorlesung über Rechtsmedizin teilgenommen hatte und jetzt die Demonstration einer forensischen Obduktion in ihrer bedrückenden Realität miterleben konnte. Auch heute waren es wieder zwei Vertreter des männlichen Geschlechts, die mit den Eindrücken des Todes nicht fertig wurden und vorzeitig ihren Platz räumten.
Professor Klenze hatte, bevor die Röntgenaufnahmen gemacht wurden, eine Durchleuchtung angeordnet. Auf dem Monitor konnten die Zuschauer den Vorgang verfolgen. Der Professor gab erläuternde Hinweise zur Technik des Vorgehens in einem solchen Fall. Plötzlich rief er: »Kommissar Freiberg, sehen Sie! Metallteile im Körper, und zwar im Becken und in den unteren Extremitäten; im rechten Oberschenkel, ganz deutlich erkennbar, ein ringförmiger Gegenstand, knapp zwei Zentimeter Durchmesser, regelmäßig kantig, mit einem Loch von drei bis vier Millimetern in der Mitte.«
»Mit größter Wahrscheinlichkeit eine Schraubenmutter«, ergänzte der zum Team gehörende Physiker.
»Und dort im Becken eine Schraube oder so etwas Ähnliches, und dort noch ein glatter ovaler Gegenstand, etwa so groß wie ein Fünfmarkstück. Das muß röntgenologisch alles sehr sorgfältig dokumentiert werden«, stellte Professor Klenze fest.
»Könnten Sie vorab das eine oder andere Metallstück herausnehmen? Ich möchte damit sofort zu den FUS-Leuten an der Unfallstelle«, drängte Freiberg. »Die könnten uns eventuell sagen, zu welchen Flugzeugteilen die Gegenstände gehören.«
Die Studenten verfolgten aufmerksam das Gespräch. Dieses war keine Demonstration zu Lehrzwecken, sondern nüchterner Alltag der Rechtsmedizin, in der ja nicht nur erfahrene Ärzte, sondern auch hochkarätige Chemiker und Physiker arbeiten.
»Langsam, Kommissar Freiberg,
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