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Schneebraut

Schneebraut

Titel: Schneebraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ragnar Jónasson
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Kristjánsson. Über dem roten Sofa hing das Plakat eines bekannten ausländischen Gemäldes, an der Wand genau gegenüber stand das Klavier, und auf ihm lag ein Stapel mit Noten. Hier war die Zeit fast stehengeblieben.
    Ugla kam mit einer dampfenden Tasse Wasser aus der Küche zurück.
    »Ich hoffe, ich begehe kein Verbrechen, wenn ich ohne offizielle Genehmigung Klavierunterricht erteile!« Sie reichte ihm die Tasse und zwei Teebeutel. Fügte dann entschuldigend dazu: »Ich habe nur diese beiden Teesorten.«
    »Danke. Ich werde es dann also einfach ignorieren, wenn du gegen das Gesetz verstößt.« Ari lächelte breit und tauchte den einen Beutel in das heiße Wasser. »Wir haben ja schon Wichtigeres zu tun bei der Polizei, als Klavierlehrerinnen ohne Genehmigung zu verfolgen.« Er überlegte aber im gleichen Moment, ob dem tatsächlich so war im wirklichen Leben. Diese ersten Tage in Siglufjörður waren unbeschreiblich gewesen. Patrouillefahrten in einem großen Jeep, aber wenig zu tun. Hier fuhr kaum jemand mal zu schnell, zumindest nicht innerhalb des Dorfes und natürlich erst recht nicht auf einer schneereichen und abschüssigen Bergstraße auf der anderen Seite des Tunnels. Dort beherrschte eher die Todesangst als die Furcht vor einem Protokoll wegen zu hoher Geschwindigkeit die Situation. Ari hatte sich um einen Unfall kümmern müssen, einen läppischen Auffahrunfall, und war schon zweimal gerufen worden, um abgeschlossene Autos zu öffnen. Zudem war er auch gebeten worden, Betrunkene nach einem Zuviel an Alkohol nach Hause zu fahren – in diesem Bereich hatte die Polizei eine große Servicefunktion zu erfüllen.
    »Ich werde mir einen Kaffee genehmigen«, sagte Ugla. »Wir beginnen mit dem Unterricht dann einfach etwas später.«
    Der Klavierunterricht sollte eine Dreiviertelstunde dauern, doch letzte Woche hatten Ari und Ugla noch eine gute Stunde lang miteinander geplaudert, nachdem der eigentliche Unterricht zu Ende war.
    Er hatte es in den letzten Wochen sehr zu spüren bekommen, dass er in dieser fremden Ortschaft ein unbekannter Gast war. Keiner war von sich aus auf ihn zugekommen – jeder kannte hier jeden, aber keiner kannte ihn. Wenn er ins Fitnesszentrum oder ins Schwimmbad ging, redete niemand mit ihm, obwohl alle zweifelsohne wussten, wer er war – der neue Polizeibeamte im Dorf. Er war in die Situation geraten, einen Dorfbewohner verwarnen zu müssen, der am Steuer das Handy benutzt hatte, und dieser hatte ziemlich ungemütlich reagiert. »Wer bist du eigentlich? Bist du hier bei der Polizei? Ich habe nichts davon gehört, dass kürzlich einer bei der hiesigen Polizei eingestellt worden ist«, war die Antwort, die Ari bekommen hatte, und er wusste doch genau, dass der Mann ihm etwas vorspielte. »Woher soll ich denn wissen, dass du nicht einfach die Uniform und das Auto gestohlen hast?« Ari hatte nachgegeben, gelächelt, den Mann gebeten, darauf zu achten, dass das nicht wieder vorkomme. Schwor sich selber aber dabei, das nächste Mal kein Auge mehr zuzudrücken.
    Dabei beobachteten ihn die Dorfbewohner genau – einmal hatte er vergessen zu blinken, als er mit dem Dienstwagen im Dorf unterwegs war, und als er später Tómas traf, erfuhr er, dass deswegen von unbekannt eine Klage eingegangen war. »Du hast ja wohl nicht gedacht, dass du hier auf Rosen gebettet sein würdest, Meister – hier werden vielleicht keine Morde verübt oder andere große Verbrechen, aber es ist auch kein Kindergarten.«
    Er war alleine auf der Welt.
    Er fühlte sich wie ein Fremder, der eigentlich nur für ein kurzes Wochenende nach Siglufjörður gekommen war, dann aber steckengeblieben war – ein Reisender, der vergessen hatte, den Rückfahrschein zu lösen.
    Er konnte zwar mit Tómas und Hlynur über Gott und die Welt plaudern, wenn sie auf der Wache bei einer Tasse Kaffee saßen, doch das waren oberflächliche Gespräche über die Gesellschaft und Sport.
    Ugla dagegen war anders. Das hatte er sofort gesehen. Sie war offen und herzlich, gab viel von sich preis und konnte auch aufmerksam zuhören, wenn es darauf ankam.
    Sie sprach unverblümt davon, wie schwierig es doch sei, in so eine kleine Dorfgemeinschaft zu ziehen, erzählte ihm von ihren Erfahrungen, schien wahrzunehmen, wie schwierig es ihm fiel, sich an den neuen Ort zu gewöhnen.
    »In meinem Fall hat es schon geholfen, dass ich von Patreksfjörður komme, man weiß zumindest, wie es zugehen kann in so einem kleinen Ort, andererseits gibt es keine

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