Schneebraut
dich von ihm nicht provozieren.
»Soviel ich weiß, bist du gesehen worden … mit einer anderen Frau.«
Direkt ins tiefe Wasser. Zum Fischen. Manchmal lohnte es sich, etwas unverfrorener mit der Wahrheit umzugehen.
Karl grinste wieder.
»Jaja, es musste ja so weit kommen. Dieses Versteckspiel ist zermürbend … und doch so verdammt spannend. Wer hat uns gesehen?«
»Hrólfur.« Es wäre zumindest gut möglich gewesen.
»Hrólfur! Der alte Teufel, spionierte die Nachbarn aus.«
Die Nachbarn? Anna?
»Trefft ihr euch immer noch … du und … du und Anna?«
»Ach, spielt das irgendeine Rolle? Kann es dir nicht egal sein, mit wem ich schlafe?«
Er schwieg und schien sich plötzlich zu besinnen.
»Na hör mal … du denkst, dass ich den alten Mann die Treppe hinuntergestoßen habe?« Er lachte.
»Hast du es getan?«
Karl fixierte ihn.
»Nein.«
»Du schämst dich also nicht für deine Affäre.«
»Mich schämen? Nein. Aber es wäre eher ungünstig gewesen, wenn Linda davon erfahren hätte. Sie bezahlt ja hier die Miete. Und jetzt … jetzt ist es mir egal, zumal sie tot ist oder so gut wie.«
Ari spürte, wie die Wut in ihm hochkochte. Wie konnte der Mann bloß so etwas sagen?
»Aber Anna? Sie will ja wohl kaum, dass das auffliegt.«
»Nein, sicher nicht. Sie will sich hier niederlassen und unterrichten.« Er lachte. »Doch das geht mich nichts an. Ich werde wieder von hier wegziehen, habe mir eine Arbeit in Akureyri besorgt.«
Er schaute zum Fenster hinaus und schwieg einen Moment.
Ari wartete und lauschte dem Toben des Windes.
»Bist du also hergekommen, um mich zu fragen, ob ich den alten Kerl umgebracht habe?«, fragte Karl zu guter Letzt.
Ari schwieg noch immer und versuchte, ihn sich nicht herausreden zu lassen. Er war in der Höhle des Löwen, und er wollte die Sache zu Ende führen, die Wahrheit herausfinden.
»Denkst du vielleicht, dass ich auch Linda umgebracht habe?« Er lächelte, als ob es nichts Selbstverständlicheres gäbe.
»Nein.« Er schaute Karl in die Augen.
»Nanu? Dann bist du vielleicht nicht so dumm wie du aussiehst.«
»Ich weiß, dass du sie nicht angegriffen hast. Aber ich weiß auch, dass sie eine Lebensversicherung abgeschlossen hat.«
Das gab ihm einen Ruck.
»Wie zum Teufel hast du davon erfahren?«
»Du wusstest also von der Versicherung, nicht wahr?«
»Es macht wohl keinen Sinn, das zu verneinen.«
»Es wurden an dem Messer Proben von deinem Pulli gefunden.«
Er lächelte.
»Verdammt schlau seid ihr. Ich sollte vielleicht die Tat einfach zugeben, damit ich dich loswerde.«
»Du bist offensichtlich unschuldig, was die Tat angeht. Aber du kannst mit dem Grinsen aufhören, ich weiß, was du getan hast.«
»Nanu, dann erzähl es mir doch bitte. Ich kann es kaum erwarten.«
»Du hast das Messer verschoben. Es hinter der Tonne versteckt, so dass es nicht direkt bei Linda gefunden werden würde … dass es so aussehen würde, als ob jemand anders die Tat verübt habe.«
»Warum hätte ich das tun sollen?« Die Stimme wohlüberlegt – wie ein Lehrer, der mit einem kleinen Kind redet.
»Du hattest den Vertrag gelesen … den Vertrag der Lebensversicherung – oder du hattest dich zumindest über dessen Inhalt informiert. Du bekommst nichts, falls sie sich das Leben nimmt, so kurz, nachdem die Versicherung abgeschlossen worden war.«
Das Grinsen sagte alles, was es zu sagen gab.
»Glaubst du, dass sie Selbstmord begehen wollte?«, fragte Ari.
»Da habe ich keine Ahnung.« Karl wich seinem Blick aus. »Sie hat sich ständig beklagt. Sie ertrug dieses Wetter nicht. Die Dunkelheit. Sie hätte sich wahrscheinlich die Pulsadern aufgeschnitten, wenn sie wirklich hätte sterben wollen. Sie hat manchmal davon gesprochen, dass sie sich selber etwas zufügen wollte, hat mit den Messern in der Küche gespielt. Ich sagte ihr einfach, sie solle die Schnauze halten und sich wie ein normaler Mensch aufführen.« Er schwieg und fuhr dann fort: »Das hier hat sie irgendwie vermasselt, die Schnitte waren zu tief, sie hat zu viel Blut verloren. So ein verdammter Blödsinn; dieser Schnee hat sie halb wahnsinnig gemacht – sie hat wahrscheinlich die Kräfte der Natur herausfordern wollen, wollte sich im Schnee bis aufs Blut schneiden. Immer so dramatisch. Du musst zugeben, dass das schöne Kontraste sind, blutrot auf weiß; sie hatte schon immer einen Hang zur Kunst. Das hatte sie.« Eine neutrale Einschätzung; es deutete nichts darauf hin, dass er diese Frau irgendwann
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