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Schneebraut

Schneebraut

Titel: Schneebraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ragnar Jónasson
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worden war?
    Er musste erneut mit Sandra reden.
    Eine halbe Stunde später ging er aus dem Haus und hielt direkt auf das Altersheim zu. Ungewöhnlicherweise herrschte draußen ruhiges Wetter, es fiel kein Schnee – schönes Winterwetter. Der Arm steckte immer noch in dem Dreieckstuch, aber die Schulter konnte sich etwas entspannen.
    Sandra begrüßte ihn freundlich.
    »Ich wusste stets, dass du wiederkommen würdest. Das war ein solch unterhaltsames Gespräch zwischen uns das letzte Mal.« Dieses Mal lag sie im Bett. »Das Schlimmste ist, dich auf so unangebrachte Art zu empfangen.«
    »Du hast es hoffentlich gut gehabt.«
    »Wie es halt so geht. Ich lebe zumindest noch.«
    »Ich wollte dich genauer nach einer Begebenheit fragen, die du kürzlich erwähnt hast.«
    »Nanu … dann heraus damit.«
    Die Frage schien sie zu überraschen.
    Sie bat ihn, sie noch einmal zu wiederholen.
    »Nun, ich dachte, ich hatte mich verhört? Warum in aller Welt fragst du ausgerechnet danach?«
    »Ich bin dabei herauszufinden, ob hier ein Verbrechen begangen worden ist … vor geraumer Zeit.«
    Das verwunderte Gesicht wich einem erschreckten Ausdruck. Sie schien sich plötzlich bewusst zu werden, was Ari angedeutet hatte. Sie dachte einen Moment nach, bevor sie antwortete.
    »Du glaubst doch nicht etwa …?«, sagte sie dann zum Schluss.
    »Ja, ich vermute es mittlerweile«, sagte Ari und verabschiedete sich von der alten Dame.
    Er nutzte die Gelegenheit und schaute im Krankenhaus vorbei, das an das Altersheim grenzte, und wünschte, ein Wort mit dem zuständigen Arzt wechseln zu können. Die Antwort, die er auf seine wissenschaftliche Frage hin erhielt, speicherte er in seinem Kopf ab, zusammen mit der Theorie. So vieles war deutlich geworden – aber dennoch nicht genug; der Angriff auf Linda war immer noch nicht geklärt. Dasselbe konnte man über Hrólfurs Tod sagen. Ari wollte am liebsten glauben, dass Karl diesen Todesfall verursacht hatte, aber das Foto, auf das Ugla hingewiesen hatte, deutete in eine ganz andere Richtung – auf eine Person, die überhaupt nicht unter Verdacht stand.
    ***
    Hlynur überlegte hin und her, ob er Tómas einfach alles ganz ehrlich beichten sollte, wenn dieser erneut einen Wutanfall bekam und die verfluchten Journalisten im Süden in Staub und Asche schimpfte.
    Er bekam einen leichten Stich im Magen vor lauter schlechtem Gewissen. Das wäre das letzte Mal, dass er seinem Schulkameraden half.
    Er war weit genug gegangen, um seine Sünden wettzumachen.
    Oder etwa nicht?
    ***
    Ari ging gegen Abend in eine Daunenjacke und Jeans gehüllt auf die Wache. Die Schneewehen hatten noch einmal zugelegt, und der Sturm war wieder stärker geworden.
    Hlynur war allein im Büro, saß da und trank Kaffee. Ari setzte sich in die Kaffeeecke.
    »Sie haben den Weihnachtsbaum heute Nacht verbrannt, die Demonstranten im Süden, hast du es gesehen?«, fragte Hlynur.
    Ari schaute ihn verwundert an. »Den Weihnachtsbaum?«
    »Ja, euren Weihnachtsbaum auf dem Austurvöllur – den die Norweger euch gegeben haben.«
    »Was, den Oslobaum haben sie verbrannt? Na so was.«
    »Ich würde keinem zutrauen, unseren Baum hier auf dem Platz zu verbrennen. Dann wäre ja alles verrückt. Ich kann mir nicht denken, dass unsere Freunde aus Dänemark uns wieder einen solchen Baum schenken würden vor den nächsten Weihnachten, wenn das geschehen würde.«
    »Vielleicht war ihnen einfach nur kalt«, sagte Ari. »Ist sonst alles ruhig bei dir?«
    »Ja … wer würde bei diesem Wetter schon ein Verbrechen begehen wollen. Sie haben allerdings vorhin aus dem Süden angerufen, am späteren Nachmittag, kurz nachdem Tómas nach Hause gegangen war – wegen Linda.«
    »Ach?«
    »Ja, sie haben etwas an dem Messer gefunden. Irgendwelche toten Reste, Wolle wahrscheinlich. Aber keine Fingerabdrücke.«
    »Was … war es nicht aus ihren Kleidern?«, fragte Ari und erinnerte sich plötzlich, dass sie ja halbnackt im Schnee gelegen hatte.
    »Nein, das war aus einem blauen Material, ich glaube, er hat Wolle gesagt. Wir müssen das morgen genauer unter die Lupe nehmen.«
    Er gähnte: »Gib Tómas dann Bescheid wegen der Sache.«
    Ari schwitzte. Blaue Wolle. Ein dunkelblauer Wollpulli. Der Schnee. Der bewegungslose Körper im Schnee.
    Karl.
    Der verdammte Karl
. Zu guter Letzt etwas, das ihn mit dem Fall verband – etwas, das ihn mit dem Messer verband, immerhin.
    »Interessant.« Es war am besten, in der Zwischenzeit so wenig wie möglich zu sagen.
    Ari

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