Schneeflockenbaum (epub)
genauer betrachten können ... es sind die schönsten Augen, die ich jemals gesehen habe ... Und jemand mit solchen Augen heiratet ausgerechnet solch ein verwöhntes Püppchen, so ein vornehmes Geschöpf, das einzig und allein wunderschön ist, ansonsten aber nichts zu bieten hat.«
»Ich finde die Ausdrücke ›Püppchen‹ und ›Geschöpf‹ in diesem Zusammenhang recht deplatziert. Ich glaube, du irrst dich. Frederica hat sehr wohl mehr zu bieten als nur Schönheit. Auch wenn sie vom Gymnasium geflogen und schließlich auf der Mädchenrealschule gelandet ist, so ist sie doch ganz bestimmt nicht dumm.«
»Ich habe heute Abend nicht einen bemerkenswerten Satz aus ihrem Munde vernommen.«
»Was hätte sie auch sagen sollen? Das Gespräch mit dir stockte doch, kaum dass es angefangen hatte. Zu allen Themen, über die Frauen normalerweise miteinander sprechen, Kleidung, Make-up und so weiter, hast du nichts zu sagen. Du kannst mit dem, was sie interessiert, nichts anfangen und sie nichts mit deinen Vorlieben.«
»Ich fand sie schrecklich.«
»Sie dich vermutlich auch.«
»Das hoffe ich inständig. Dann müssen wir sie nie wieder besuchen. Nein, es ist wirklich unglaublich ... so ein netter Mann ...
»Hüte dich, er ist in erster Linie ein Charmeur. Jede Frau, der er in die Augen sieht, ist sogleich verloren.«
»Ja, aber darum geht es ihm nicht, er ist nicht gefallsüchtig.«
»Und deshalb umso gefährlicher.«
»Oh, was für ein herzenbrechender ... Wie kommt es, dass du einen solchen Freund hast?«
»Bin ich denn so ein Bauernlümmel?«
»Das bist du ganz und gar nicht. Aber du bist unsozial, und du versuchst nicht, charmant zu sein, du bist nicht aufmerksam, nicht elegant, du bist nicht schmeichelnd. Außer Jouri hast du kaum Freunde.«
»Als ob du so viele Freundinnen hättest.«
»Mit anderen Frauen kann ich nichts anfangen. Sie wollen einem immer gute Ratschläge geben. ›Versuch’s mal mit einer anderen Frisur.‹ ›Schmink deine Lippen mal ein wenig.‹ ›Du bist klein, du solltest dich selbst mal in Schuhen mit hohen Absätzen sehen.‹ Und so geht das die ganze Zeit. Immer dasselbe, mich schubsen, mich ziehen, mich drängen. Achte mal darauf, wie schrecklich genau Frauen einander beäugen. Wenn du ein Uhrarmband trägst, das nicht mehr modern ist, dann bist du abgemeldet.«
Muttermilch
S elbst als Frederica gut ein Jahr nach dem traumatischen Essen von einem gesunden Sohn entbunden wurde, gelang es mir nicht, Katja zu einer Wochenbettvisite zu überreden.
»Wir gehen auf einen Sprung vorbei, werfen einen Blick auf das Kind, gratulieren Vater und Mutter und sehen dann zu, dass wir wieder wegkommen«, startete ich einen letzten Versuch.
»Nein, kommt nicht infrage, es ist schon schlimm genug, dass ich Frederica ab und zu auf der Straße treffe. Dann komme ich nicht drum herum, sie zu grüßen. Aber noch einmal zu ihr nach Hause gehen, nur über meine Leiche.«
»Ich habe kein Problem damit, alleine hinzugehen. Aber was sage ich, wenn sie fragen, warum du nicht mitgekommen bist?«
»Du findest bestimmt wie immer eine Ausrede. Denk dir was aus, ich komm nicht mit. Wochenbettvisiten hasse ich sowieso wie die Pest. Wiegen, ich pfeif drauf. Windeln, Rasseln, das ist alles einfach nur schrecklich, und wie diese Neugeborenen stinken! Man hält es nicht für möglich. Und alle sind total begeistert. ›Oh, was für ein hübsches Kind, schau nur, die kleinen Händchen, und die Fingerchen, sie sind schon alle da.‹ Ja, stell dir vor, das Kind hätte nur kleine Stümpfe. Was sollte ich dann anfangen, wenn so ein Kind später zum Flötenunterricht kommt? Und jedes Mal das Geschwafel, ob es nun dem Vater oder der Mutter ähnlich sieht. Dabei sieht so ein neugeborener Wicht doch aus wie ein sabbernder, seniler Mops.«
Also ging ich an einem sonnigen Samstagnachmittag allein zur Uiterste Gracht. Auf mein Klingeln öffnete ein blondes junges Mädchen die Tür.
»Ich bin die Säuglingsschwester«, erklärte sie fröhlich. Sie ging vor mir her die Treppe zum Schlafzimmer hinauf und sagte: »Ich glaube, das Baby wird gerade gestillt. Ich frage vorsichtshalber erst, ob Ihr Besuch jetzt gelegen kommt.«
»Ich warte so lange unten.«
»Dann sitzen Sie dort allein. Herr Kerkmeester ist kurz etwas erledigen.«
Sie verschwand im Schlafzimmer, ich hörte Stimmen, dann kam sie wieder und sagte: »Kommen Sie ruhig.«
Ich ging ins Schlafzimmer. Das Frühjahr hatte kaum begonnen. Die Frühlingssonne warf
Weitere Kostenlose Bücher