Schneeflockenbaum (epub)
vielleicht wäre das überhaupt die Lösung. Ich konnte nicht ahnen, dass ich mich, als ich dich ein wenig umgarnte, um Jouri an Land zu ziehen, so sehr in dich verlieben würde. Du warst überhaupt nicht mein Typ, und darum sah ich die Gefahr nicht. Es passierte, ohne dass ich es bemerkte, und jetzt ... Wenn also Jouri und sie ... Doch so weit muss es nicht kommen. Alles bleibt im Gleichgewicht, solange du mir nachtrauerst. Dein Kummer ist die beste Garantie dafür, dass Jouri sich nicht an dein Scheusal heranmacht.«
»Bitte, benutz um Himmels willen nicht das Wort ›Scheusal‹.«
»Ach, mein Lieber, tief in deinem Herzen weißt du genauso gut wie ich, dass sie ein Scheusal ist. Dennoch kannst du es nicht ertragen, wenn jemand anders dies über deinen Schatz sagt. Wenn ein Mann sich eine Freundin zulegt und sich bei ihr über seine Frau beklagt, dann darf die Freundin niemals den Fehler machen, ihm recht zu geben. Das wird er ihr ewig übel nehmen.«
»Woher weißt du das alles? Hast du selbst einmal die Rolle einer solchen Freundin gespielt?«
»Natürlich nicht«, sagte sie bissig. »Hast du schon mal Muttermilch probiert?«
»Ja«, antwortete ich, »im Krieg.«
Frederica sah mich einen Moment lang erstaunt an, dann kicherte sie: »Ach, du meinst als Baby, als deine Mutter dich noch gestillt hat.«
»Richtig.«
»Aber daran kannst du dich nicht mehr erinnern. Also weißt du nicht, wie Muttermilch schmeckt. Sie ist süßer als zum Beispiel Kuhmilch. Willst du einen Schluck probieren?«
»Wie meinst du das?«, fragte ich, nun selbst ganz erstaunt.
»Ich meine es so, wie ich es sage. Ich habe zu viel Milch, nachts fließt sie einfach so heraus. Ich könnte also problemlos einen ordentlichen Schluck abgeben. Hier, nimm einen Zug, komm ...
Sie deutete auf ihre rechte Brust. Die bräunliche Brustwarze richtete sich resolut auf, als gehorche sie einem Befehl. Ab und zu trat ein Tropfen Milch aus.
»Mach ruhig«, sagte sie träumerisch, »na los, nimm einen Schluck, dann weißt du, wie Muttermilch schmeckt.«
Es war, als stünden wir wieder hinten im Garten an der Binnensingel, als würde sie mir erneut den Unterschied zwischen einem Kuss und einem Dauerbrenner demonstrieren, und darum bückte ich mich zu ihrer rechten Brust hinunter und sog an ihrer Brustwarze. Fast im selben Augenblick schoss ein kräftiger lauwarmer Strahl Muttermilch in meinen Mund. Die sahnige Substanz war tatsächlich viel süßer als Kuhmilch und auch nicht so wässrig. Am ehesten erinnerte sie an den göttlichen Geschmack von Biestmilch. Ich verspürte das Verlangen, noch einen Schluck zu trinken, und obwohl mir bewusst war, dass mich dies noch stärker an sie fesseln würde, konnte ich es einfach nicht lassen, einen zweiten Zug aus der Brust zu trinken, zu saugen, und Frederica lächelte zufrieden. Dann waren die Schritte der Säuglingsschwester auf der Treppe zu hören. Ich ließ die Brustwarze los und setzte mich wieder auf meinen Stuhl.
Bedauerlicherweise war ich kurz danach gezwungen, den Tee zu trinken, den die liebreizende junge Dame für mich gebrüht hatte. Mit dem Tee spülte ich leider den sahnigen, süßen, angenehmen Muttermilchgeschmack wieder aus meinem Mund.
Auf dem Nachhauseweg schüttelte ich mich wie ein Hund. Weg mit all den Hirngespinsten! »Weg damit!«, hörte ich meine Mutter sagen. Was spielte das alles für eine Rolle? All die verrückten, schal gewordenen amourösen Trugbilder! Das Spinnengrab und alles, was sich daraus entwickelt hatte, das lag doch endgültig hinter mir? Trotzdem hatte Fredericas Bemerkung, nicht einmal Jouri habe Gefallen an Katja, mich getroffen. Was sie so unverblümt zum Ausdruck gebracht hatte, war mir oft genug durch den Kopf gegangen, wobei ich mich jedes Mal darüber gewundert hatte, dass ich offenbar nicht nur für ihn Mädchen mit einem Gütesiegel versah, sondern dass er umgekehrt einer meiner Flammen das Gleiche verweigern konnte. Und was nun? Musste ich mir dies zu Herzen nehmen? Sollte ich zu Katja sagen: »Du gehst besser, denn Jouri findet dich zwar nett, aber Gefallen, banal gesagt: à la Frederica, findet er an dir nicht?«
Was für idiotische Gedanken! Ich musste raus aus Eros’ verfluchtem Irrgarten. Es war windstill und Samstagnachmittag, und »Da ist kein Samstag so dick, dass die Sonne scheint einen Blick«, hatte mein Vater immer gesagt, und daher ergoss die Sonne tatsächlich großzügig ihr goldgelbes Licht auf Fassaden und Plätze. Ich bemühte mich,
Weitere Kostenlose Bücher