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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marten t Hart
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das, per Akklamation von allen, als das mit Abstand hübscheste Wesen des weiblichen Geschlechts auf dem Groen betrachtet wurde: Frederica Sprenger van Eijck. Sie war sehr blond und sah Catherine Deneuve unheimlich ähnlich, sie spielte hervorragend Hockey und hatte dem Chemielehrer den Kopf verdreht. Angefangen hatte sie auf dem Gymnasium. Nachdem sie dort sitzen geblieben war, war sie auf dem Realgymnasium gelandet, und nachdem sie dort ebenfalls eine Ehrenrunde hatte drehen müssen, war sie schließlich zur Endstation weitergereicht worden: der Mädchenrealschule.
    Jouri und ich hatten sie – natürlich umringt, gefolgt, umdrängt von Hofdamen – oft während der Frühstückspause über den Schulhof stolzieren sehen. Nie hatten wir über sie gesprochen, ganz zu schweigen davon, dass wir mit ihr gesprochen hätten, erstens weil sie älter war als Jouri und ich, zweitens weil schon unsere Klassenkameraden den lieben langen Tag pausenlos über sie redeten, drittens weil wir wussten, dass es zwecklos war, wenn wir unseren Blick auf eine so schöne Reederstochter warfen, deren Vater über etwa drei Viertel der Vlaardinger Heringsflotte bestimmte und dazu noch über allerlei dubiose Logger unter ausländischer Flagge.
    Nun stand sie auf ihren hohen Absätzen und in ihrer ganzen Würde vor dem Tisch, an dem ich saß.
    »Möchtest du ein Buch ausleihen?«, fragte ich sie.
    »Nein, ich will mit dir reden.«
    »Worüber?«
    »Über Jouri.«
    »Was ist mit Jouri?«
    »Er ist doch dein bester Freund?«
    »Ja«, antwortete ich stolz.
    »Wie lange kennst du ihn schon?«
    »Seit dem Kindergarten.«
    »So lange schon?«
    »Ja, er kam von Goeree-Overflakkee hierher und wurde neben mir in den Sandkasten gesetzt. Dort schaufelte er dann in aller Ruhe ein Spinnengrab.«
    Sie sah mich an, und ich dachte: Vielleicht ist sie ja sogar noch schöner als Hebe, doch wie kommt es dann, dass ich mich mit ihr unterhalten kann?
    »Wozu ...?«, hob sie an.
    Sie schwieg, und auch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Hagelkörner prasselten gegen das große Fenster.
    »Was für ein Wetter«, sagte sie. Dann fuhr sie fort: »Ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll, wie ich anfangen soll, aber vielleicht weißt du schon, worauf ich hinauswill.«
    Leider wusste ich das nicht; möglicherweise wollte ich es auch nicht wissen. Ziemlich erstaunt starrte ich sie an.
    Sie errötete und fragte erschrocken: »Werde ich rot?«
    »Ja, aber das steht dir phantastisch.« Ich war selbst erstaunt, dass mir ein solch prächtiges Kompliment nicht nur zur Verfügung stand, sondern dass ich mich auch traute, es auszusprechen.
    Sie schaute mich lange an, beugte sich dann zu mir hinunter und flüsterte: »Ich bin in Jouri verknallt.«
    Es war schön, dass die Hagelkörner erneut wütend gegen die Scheiben prasselten. Das gab uns beiden nach diesem Geständnis ein wenig Bedenkzeit.
    »Was für ein Wetter«, stotterte ich anschließend hilflos.
    »Ich bin in Jouri verknallt«, sagte sie verträumt. »Ich bin schon sehr lange in ihn verknallt, aber er ... Es ist, als wäre ich Luft für ihn, er bemerkt mich nicht, obwohl die meisten Jungs hier an der Schule ... stimmt’s oder nicht? ... ich übertreibe sicher nicht ... findest du, ich übertreibe?«
    »Nein, alle Jungen in meiner Klasse finden, dass du das schönste Mädchen der Schule bist.«
    »Zum Teufel, was hab ich davon? Was kann ich mir dafür kaufen? Aber gut, wenn sie das denken, warum ... Jouri ... Ich versteh es nicht ... er ist so toll ... ständig sehe ich euch beide über den Schulhof schlendern, und du ... du schaust mich immer an, du kannst deine Augen einfach nicht von mir abwenden, deine Blicke saugen sich an mir fest, stimmt’s? Aber dein Freund, dieser Jouri ... er bemerkt mich einfach nicht, er schaut über mich hinweg, an mir vorbei ... Ich ... was soll ich bloß tun ... So, nun weißt du’s, deswegen bin ich hier. Vielleicht kannst du mir ja einen Rat geben.«
    So macht man das also, wenn man ein schönes Mädchen ist, dachte ich, ein wenig schwindelig im Kopf und verwirrt. Man wartet nicht, bis der Traumjunge etwas unternimmt, nein, nein, man spricht einfach seinen besten Freund an.
    Die Röte in ihrem Gesicht verschwand allmählich. Trotzdem waren ihre Wangen immer noch recht rosig. Ich sah sie an und fand sie jetzt, nach diesem intimen Geständnis, noch attraktiver, als sie es in meinen Augen immer schon gewesen war. Und darum blieben mir die Worte im Halse

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