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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marten t Hart
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sie.«
    »Was bist du denn?«
    »Ich bewundere sie.«
    »Du spinnst!«
    Es war merkwürdig, dass ein solches an einem windigen Oktobertag geführtes Gespräch, das aus nicht mehr bestand als – um mit dem Dichter Gerrit Achterberg zu sprechen – »ein paar Worten, die sehr rasch in die Atmosphäre entschwanden«, nach einem halben Jahr fortgesetzt wurde, als sei in der Zwischenzeit nichts geschehen. Nach dem Ende des Großen Abends im Stadttheater am, wie sollte es anders sein, Schiedamseweg verließen Jouri und ich den Zuschauerraum. Im Foyer bemerkten wir Hebe. Jouri sagte: »Was hast du gesagt? Du bewunderst sie? Das ist deine Chance. Offenbar ist sie ganz allein. Sie muss zurück nach Maasland, und bestimmt hat sie keine Lust, sich allein auf die lange, anstrengende Fahrt durch die Zuidbuurt zu machen. Sogar dich würde sie jetzt als galanten Begleiter mit Kusshand begrüßen.«
    »Sie ist bestimmt nicht allein.«
    »Was hält uns davon ab, sie zu fragen?«
    »Würdest du dich das trauen?«
    »Wieso nicht, dafür braucht man doch keinen Mut.«
    »Ich würde mich nicht ...
    »Verstehe ich, denn du bewunderst sie, und Adorieren geht oft einher mit Sich-Zieren.«
    Jouri ging kurzerhand auf Hebe zu. Er fragte sie etwas, sie antwortete. Dann lächelten sie einander an. Zusammen kamen sie auf mich zu.
    »Hebe würde gern von dir nach Hause gebracht werden«, sagte Jouri.
    Ich konnte es kaum glauben, und weil ich auch kein Wort herausbekam, nickte ich nur. Kurze Zeit später radelten wir den Schiedamseweg entlang. Ich fuhr mindestens zehn Meter vor Hebe und Jouri her. Hinter mir hörte ich die beiden reden und lachen. Was sagten sie zueinander? Worüber amüsierten sie sich so?
    Als wir bei der Solex-Werkstatt von Jouris Vater ankamen, hörte ich Hebe sagen: »Schade, dass du nicht weiter mitfährst.«
    »Ich finde es auch schade, dass ich schon zu Hause bin. Doch keine Trübsal geblasen, ich vertraue dich meinem besten Freund an, er wird dich durch die Zuidbuurt bis nach Maasland begleiten. Vielleicht bringt er dich sogar bis zur Haustür.«
    »Oh, das muss nicht sein.«
    Ich fuhr schon wieder los, doch Hebe folgte mir nicht. Sie blieb stehen, hatte mit Jouri noch dies und jenes zu bereden, und Jouri hatte ihr offenbar auch noch das eine oder andere mitzuteilen. Sie hörten nicht auf, sich zu unterhalten. Hin und wieder grinsten sie sogar, und es schien fast, als lachten sie mich aus. Ich schaute nach hinten und stieg wieder ab. Hell leuchtete eine bissige, messerscharfe Mondsichel auf die beiden herab. Was hatte Jouri bloß mit ihr zu besprechen?! Und sie mit ihm? Und warum scherzte sie dabei so angeregt mit ihm?
    Schließlich stieg sie doch auf und radelte in meine Richtung. Ich fuhr schon langsam los, und kurze Zeit später radelten wir, während sich die Mondsichel beleidigt hinter Wolken zurückzog, den Schiedamseweg entlang. In der Zuidbuurt, wo es keine Straßenlaternen gab, fuhren wir in die Dunkelheit hinein. Es war so finster, dass ich von Hebe nur verschwommene Konturen sehen konnte. Sie fuhr neben mir her, auf einem niedrigen Damenrad mit heruntergebogenem Lenker, sodass sie wie ein Radrennfahrer tief nach vorne gebeugt saß. Auf meinem aufgemöbelten Herrenrad thronte ich hoch über ihr.
    Pausenlos überlegte ich, was ich zu ihr sagen oder sie fragen könnte. Wenn es mir denn gelang, etwas zu finden, antwortete sie kurz, und dann herrschte wieder Stille. Erst als wir ungefähr bei der Schleuse waren, wo ich sie morgens immer einholte, und ich über Jouri zu reden begann, wurde sie gesprächiger.
    »Was für ein netter Kerl«, sagte sie. »Schade nur, dass er nicht bei mir in der Klasse ist.«
    »Und nicht nur nett«, sagte ich, »sondern auch schlau, sehr schlau. In Chemie haben wir einen Test über Ionen geschrieben, und der Lehrer hatte die Fragen absichtlich so schwierig gestellt, dass alle ein fettes Ungenügend bekamen. Nur Jouri hatte als Einziger ein Ausreichend, eine Vier minus.«
    »Das ist ja Schikane, einen so schweren Test schreiben zu lassen. Ich bin froh, dass ich diesen Sklaventreiber nicht habe.«
    »Er ist kein Sklaventreiber, er stellt einfach hohe Anforderungen.«
    »Kennst du Jouri schon lange?«
    »Ja, schon seit dem Kindergarten. Er wurde neben mir in den Sandkasten gesetzt und grub dort ein Spinnengrab. Meine Freundin Ansje war davon so begeistert, dass sie gleich zu ihm rübergerutscht ist.«
    »Das hätte ich auch getan. Tja, Jouri ... was für ein toller Typ!«
    Dieser

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