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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marten t Hart
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teuren englischen Brötchen schließlich doch noch dem Meer.
    Im Zug nach Leiden knabberte ich Katjas Creamcracker, wobei ich die ganze Zeit mit einem Gefühl des Bedauerns an sie dachte. Wie leicht könnte sie sich mit ihrer schlanken, kerzengeraden Figur in so ein entzückendes Carnabymädchen verwandeln.
    Erschöpft erreichte ich mein Zimmer auf der Uiterste Gracht. Erst einen Moment ausruhen, ehe ich meine Schmuggelschlupfwespen ins Labor bringe, dachte ich. Ich legte mich hin und wachte erst wieder auf, als der Nachmittag beinahe vorüber war. Ich eilte zum Laboratorium, wo man mir eine Standpauke hielt, weil ich so spät kam. Als ich mich mit dem Hinweis auf meine Seekrankheit und die durchwachten Nächte entschuldigte, sah man mir meine Verspätung aber gnädig nach.
    An diesem Abend begab ich mich schweren Herzens in die Vrouwenkerkkoorstraat. Ich werfe die Fingernägel und den Wimpernstreifen in ihren Briefkasten, und dann mache ich mich aus dem Staub, nahm ich mir vor. Mir war, als könnte ich erneut seekrank werden. Die erleuchteten Schaufenster in der Haarlemmerstraat wogten auf und ab. Sogar das Pflaster schien sich zu bewegen. Je weiter ich mich der Vrouwenkerkkoorstraat näherte, umso unsicherer wurde mein Schritt. Schließlich schlich ich an ihrem Haus vorbei. Drinnen brannte Licht. Petrus war noch immer nicht von Jesus aus dem Wasser gezogen worden. In ihrem Angorapullover, das Gesicht von der Straße abgewandt, saß sie da und blätterte wieder in der Bibel.
    Nicht reingehen, dachte ich, ich drücke ihr die Sachen an der Tür in die Hand. Als sie jedoch erneut eine der hauchdünnen Bibelseiten mit langen, tiefrosafarbenen Fingern umblätterte, gab ich mich geschlagen. Ich klopfte leicht ans Fenster.
    Sie sprang auf, öffnete die Haustür und sagte freudig erregt: »Da bist du ja. Ich war mir nicht sicher, ob du kommen würdest.«
    »Ich gehe auch gleich wieder. Ich habe zwei schreckliche Nächte auf dem Schiff hinter mir, ich konnte kaum schlafen.«
    »Seekrank?«
    »Vor allem auf der Hinfahrt. Wie dem auch sei, ich habe die Fingernägel, sie waren runtergesetzt und kosten nichts. Außerdem habe ich einen Meter künstliche Wimpern für dich gekauft.«
    »Was soll ich mit einem Meter falsche Wimpern?«
    »Die Verkäuferin hat mir erklärt, dass man Stücke in der passenden Länge abschneiden muss. Die klebt man dann auf die Augenlider.«
    »Wie spannend. Das will ich gleich mal ausprobieren.«
    Und so kam es, das ich eine Viertelstunde später einer Frau gegenüberstand, die nun erst recht wie ein unheimlicher Vamp aussah.
    »Wie steht mir das?«, fragte sie.
    »Phantastisch, das ist der ›finishing touch‹, jetzt bist perfekt ausgestattet, um Jungs wie mich zum Thron der Gnade zurückzuführen.«
    »Die Leute von Ichthus haben mich verstoßen«, sagte sie traurig.
    »Warum das so plötzlich?«
    »Sie haben mich auf der Straße gesehen. ›Hure von Babylon‹ haben sie mich geschimpft.«
    »Wundert dich das? Es widerspricht dem Evangelium, wenn du wie ein Mädchen von der Carnaby Street herumläufst.«
    »Ich hab ihnen erklärt, dass wir in Amerika ... Prospekte über Flirty Fishing habe ich ihnen auch gezeigt ... Ach, warum bist du damals am ersten Abend verschwunden? Wenn ich mit dir dort aufgetaucht wäre ...
    »Halt dich doch nicht selbst zum Narren. Du findest es einfach wahnsinnig aufregend, wie die Flirty-Fishing -Mädchen auf dem Campus von Harvard herumzulaufen.«
    Sie sah mich gekränkt an. »Was ist dagegen einzuwenden? In der Bibel steht nirgendwo ausdrücklich, dass man sich nicht zurechtmachen darf. Außerdem habe ich mich auch deshalb so aufgedonnert, weil ich deine Aufmerksamkeit erregen wollte. Ich wollte dich auf den rechten Pfad zurückführen, wirklich.«
    »Das ist dir gelungen. Seit jenem Abend bin ich nicht mehr auf Mädchensuche gewesen.«
    »Mag sein, aber bekehrt habe ich dich noch nicht, daran muss ich noch arbeiten.«
    »Und darum trägst du also diesen wunderbaren rosafarbenen Angorapullover!«
    »Auch ich habe den alten Menschen noch nicht vollständig besiegt. Vielleicht sollte ich mich etwas zurückhaltender kleiden, aber Jesus sagt nirgendwo ... es ist so herrlich, wenn man ...
    »Genau, es ist so herrlich, dem Evangelium zum Trotz. Du findest es wunderbar, dich wie Isebel aufzudonnern.«
    »Vielleicht flüstert Satan mir ein, ich soll ...
    »Ach, red keinen Quatsch. Zuerst hast du dich auf Jesu Befehl wie eine Hure ausstaffiert, um mich zu retten, und jetzt

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