Schneeflockenbaum (epub)
unschädlich gemacht habe. Oder würdest du mit so einem grobknochigen Schiedamer Schätzchen dein Leben teilen wollen?«
»Darum geht’s nicht, es geht darum, dass du ... nun ja, was spielt das noch für eine Rolle, erzähl lieber von Amerika. Wie war’s in Harvard?«
»Einerseits phantastisch. Dort wird auf höchstem Niveau wissenschaftlich gearbeitet, und die Leute inspirieren einander enorm. Aber es ist schrecklich schade, dass sie auch alle so mit Gott beschäftigt sind. Ich habe immer gesagt: ›Gott ist eine überflüssige Hilfshypothese‹, und sofort fingen sie an, mich zu evangelisieren. Schrecklich engherziger, spießiger, beschränkter Protestantismus und außerdem noch mit einem Schuss Halleluja drin, so à la: ›Oh, wie herrlich, dass wir bereits vor zweitausend Jahren erlöst wurden.‹«
Im Hintergrund war noch immer Bruckner zu hören, und ich versuchte, der Musik ungeachtet Jouris Anwesenheit zu folgen. Zum Glück wiederholt Bruckner, genau wie die Singdrossel, seine Motive oft viermal. Wenn man also zwei verpasst, bleiben einem immer noch zwei.
»Nette Mädchen da an der Fakultät?«
»Nein. Mathematik ist dort, genau wie hier, Männerarbeit. Und die Mädchen ... wie viel Zeit sie darauf verwenden, sich aufzudonnern. Den ganzen Tag lang sind sie mit ihren Cremes und ihrem Frisierstab beschäftigt. Nein, ich habe da nicht eine einzige interessante Amerikanerin getroffen. Tja, du warst ja auch nicht in der Nähe, um eine für mich aufzuspüren. Mensch, dass du kein Foto von deiner Frau bei der Hand hast.«
»Sie ist gar nicht dein Typ. Klein, mager, große Augen, rote Locken. Meine Eltern waren fuchsteufelswild, als ich sie anschleppte. Mein Vater sagte danach immer: ›An der ist doch gar nichts dran? Das ist ein Klappergestell. Und außerdem gehört sie keiner Kirche und nichts an.‹ Meine Mutter war nicht ganz so ablehnend, aber nur, weil Katja sich nicht schminkte. Sie sagte: ›Auch wenn sie nur Haut und Knochen ist, Bergen-Belsen hoch zwei, so schmiert sie sich doch immerhin keine Farbe ins Gesicht.‹ Und dann sagte sie noch: ›Dass sie in keiner Kirche und nichts ist, kann nur bedeuten, dass sie demnächst, vielleicht sogar in unserer Kirche, als Erwachsene getauft wird. Oh, das ist immer so etwas Phantastisches, die Erwachsenentaufe.‹ Meine Mutter ging davon aus, dass ich sie im Handumdrehen bekehren würde. Sie hat diese Hoffnung noch immer nicht aufgegeben. ›Wenn du es ihr vorlebst‹, sagt sie immer wieder, ›wird sie eines Tages auch denken: Diesen großen Schatz will ich auch besitzen, berichte mir vom Herrn Jesus.‹«
»Wie kann deine Mutter so etwas denken? Soweit ich weiß, bist du noch immer nicht konfirmiert?«
»Stimmt, und ich werde mich auch nie konfirmieren lassen. Wenn meine Eltern danach fragen, sage ich immer: ›Zeigt mir die Stelle in der Bibel, wo steht, dass man sich konfirmieren lassen muss.‹ Eine solche Stelle können sie mir nicht nennen. Sich konfirmieren lassen, auch wieder so etwas wie Beten mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen, worüber nichts in der Bibel steht. ›Willst du denn dem Herrn Jesus dein Jawort nicht geben?‹, fragt meine Mutter immer verzweifelter.«
»Bei mir zu Hause fragen sie zum Glück nicht danach. Aber Fredericas Eltern ... demnächst werde ich auch heiraten. Mein Schwiegervater hat für uns ein Weberhaus bei dir an der Uiterste Gracht gekauft. Ich wollte dich fragen, ob du mein Trauzeuge sein willst. Und ob du, erschrick nicht, in der Pniëlkirche die Orgel spielen würdest.«
Sich erst all meine Freundinnen unter den Nagel reißen und dann auch noch meine Adresse, dachte ich ziemlich entrüstet. Doch ich verschwieg meinen Ärger und fragte nur: »Ihr heiratet also auch kirchlich?«
»Ja, da komme ich, Gott verdammt noch mal, nicht drum herum. Und darum hoffe ich, dass du wie der Teufel Orgel spielst.«
»Ich habe noch nie auf einer Hochzeit gespielt.«
»Einmal ist immer das erste Mal.«
»Ich weiß nicht, ob ich mir das zutraue.«
»Ach, natürlich, du kannst das. Zwei oder drei Psalmen begleiten, das ist doch für dich kein Problem. Du kennst die Lieder doch alle auswendig.«
»Das schon, aber auf so einer großen Orgel? Ich komme mit den Pedalen noch nicht so richtig klar.«
»Du hast noch zwei Monate Zeit zu üben. Das schaffst du bestimmt. Dir fällt alles in den Schoß, in allem bist du gut. Wie spät ist es eigentlich? Am liebsten würde ich ja noch ein bisschen bleiben, denn ich möchte zu
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