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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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Abendessen zu Jens und betrachtete sein Gesicht. Ich liebe ihn, stellte Nina fest und studierte die kleine Kerbe in seinem Kinn, die sie unwiderstehlich fand, und den winzigen Leberfleck auf seiner Nase, den sie immer wieder küssen musste. Sie suchte den Blick seiner grünbraunen Augen und staunte zum hundertsten Mal darüber, dass sie diese Farbmischung noch nie zuvor gesehen hatte. Wie ein moosiger Waldboden, dachte sie.
    »Ja, warum eigentlich nicht?«, antwortete Jens und erwiderte Ninas Blick. Dann begann er zu lächeln. »Ich kann nicht anders, sorry«, erklärte er. »Aber zurück zum Thema Weihnachten. Das ist eine gute Idee. Meine Familie ist sowieso in den USA, und deine, na ja, du wirst nicht zwingend irgendwo erwartet, oder?«
    »Nein. Deswegen dachte ich ja auch … Was hältst du von Paris?« Weg, nur weg, dachte Nina. Abstand gewinnen. Zeit. Zeit zum Nachdenken. Und vielleicht gab es ja doch Weihnachtswunder, und der ganze Spuk war vorbei, wenn sie zurückkehrten.
    »Ich habe eine bessere Idee«, sagte Jens, »ein Freund von mir hat eine Hütte im Engadin. Wir könnten sie bestimmt günstig buchen! Was meinst du? Nur wir zwei, in den verschneiten Alpen, auf einer einsamen Hütte … Die haben dort sogar rot-weiß karierte Bettwäsche!«
    »O ja, das klingt traumhaft«, sagte Nina und konnte nicht anders, als sich Jens und sich selbst in den rustikalen Holzbetten vorzustellen, bei Kerzenschein atemlos miteinander schlafend, während in den Tälern die Weihnachtsgänse in
den Öfen verkohlten und die Pärchen sich wegen der Geschenke stritten.
    »Ich ruf Sebastian gleich mal an«, sagte Jens und ging in den Flur, um sein Handy aus seiner Manteltasche zu holen.
     
    Nina hörte ihn nicht telefonieren, und nach einer Minute stand Jens wieder vor ihr und legte Papiere auf den hölzernen Tisch. Er hatte aufgehört zu lächeln.
    »Was ist das?«, fragte Nina und dachte einen Moment lang, er habe die Klonvereinbarung gefunden.
    »Ich denke, es war lieb gemeint«, sagte Jens, und seine Stimme klang kühler, als Nina sie bisher gehört hatte, »aber eigentlich mag ich das nicht so gerne, wenn man mich vor vollendete Tatsachen stellt. Und wenn ich das hier nicht zufällig gerade auf der Kommode hätte liegen sehen, hätte ich Sebastian angerufen und die Hütte gebucht …« Er drehte sich um und ging in die Küche, wo sie ihn ärgerlich mit Geschirr hantieren hörte.
    Nina griff mit zitternden Fingern nach den Computerausdrucken, die vor ihr auf dem Tisch lagen. Es war die Bestätigung einer Flugbuchung und die Reservierung von vier Hotelübernachtungen in Paris.
     
    Mittwoch, 15. Dezember 2010. Sie.
    Das war ja gründlich in die Hose gegangen. Dabei hatte sie alles so gut geplant. Als sie am Vorabend vom Büro den Verlauf von Ninas Browser gecheckt hatte, war ihr sofort klar gewesen, was Nina vorhatte. Paris über Weihnachten, wie romantisch! Gar keine schlechte Idee. Nur, dass sie mit Jens nach Paris fliegen würde, nicht Nina. Sie würde ihn im Hotelzimmer lieben, und seine braungrünen Augen über
ihren nackten Körper wandern sehen. Und das wäre nur der Anfang. Nach Weihnachten, so hatte sie es geplant, würde sie nicht nur Ninas Job, ihre Wohnung, ihr Konto und ihr Auto besitzen, sondern auch ihren Lover. Warum eigentlich nicht? Sie wollte ihn, also würde sie ihn sich nehmen, wie sie sich alles nehmen würde. Er schien ein guter Liebhaber zu sein, die Nummer auf dem Parkett hatte sie fast ein wenig neidisch gemacht, und sie hatte beschlossen, sich jenseits aller romantischen Sentimentalitäten das Vergnügen zu gönnen, den Körper eines gut aussehenden Mannes zu spüren. Sie würde ihn gebrauchen, so lange er ihr Spaß machte.
    Vielleicht war es etwas voreilig gewesen, gleich Flug und Hotel zu buchen, aber sie hatte ja nicht ahnen können, dass Jens mit dieser Hütte ankommen und dann gleich so empfindlich auf die gebuchte Paris-Reise reagieren würde. Die Stimmung zwischen den beiden war angespannt. Sie durfte sich jetzt keinen Fehler mehr erlauben. Und vor allem musste sie schneller handeln, als sie eigentlich vorgehabt hatte. Nina war fällig. Es würde kein letztes Weihnachten mehr für sie geben. Aber ein erstes für sie und Jens.
     
    Freitag, 17. Dezember 2010. Nina.
    Nina fuhr völlig übernächtigt in die Agentur. Sie hatte die ganze Nacht wach gelegen und nachgedacht. Zwischendurch war sie aufgestanden und hatte noch einmal ihre gesamte Wohnung nach der Vereinbarung durchforstet. Ohne Erfolg.

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