Schneegestöber (German Edition)
natürlich gibt es auch noch einen zweiten Geheimgang von der Fischerhütte hierher. Hast du dich denn nicht gewundert, wo ich geblieben bin, nachdem du mich heute in den Schrank gesperrt hast?«
Der Earl stieß einen anerkennenden Pfiff aus: »Was für eine unglaubliche Geschichte. Und der Geheimgang hier in dieses Haus führt direkt aus dem Schrank? Es ist nicht zu glauben. Doch wie um alles in der Welt bist du in diese Schmugglergeschichte verwickelt worden?«
»Es war reiner Zufall«, erklärte Silvie. »Und als ich mich darauf einließ,wußte ich nicht, welche Gefahren auf mich lauern würden. Ich muß sagen, es war trotzdem ein Abenteuer, das ich auch gar nicht missen will. Trotzdem bin ich froh, daß es jetzt vorüber sein wird. Matthew befindet sich auf dem Weg der Besserung.«
»Ist Ihr Verlobter schwer verletzt?« erkundigte sich Mary Ann, die sich nun das erste Mal zu Wort meldete.
Silvie nickte: »Ja, leider ist das der Fall. Sein rechtes Bein ist von einer Kugel getroffen worden. Man muß von Glück reden, daß es ihm nicht abgenommen werden mußte. Und doch, es wird für immer steif bleiben. Und auch den linken Arm trägt er noch in einer Schlinge. Doch das zählt alles nicht. Hauptsache ist doch, daß er lebt und daß sein Kopf keinen bleibenden Schaden davongetragen hat.«
»Das ist sicher richtig«, bestätigte Seine Lordschaft. »Und ich bin froh, das zu hören. Doch nun erzähle, wie kamst du dazu, Schmugglerin zu werden? Was veranlaßte dich dazu, dich dieser Gefahr auszusetzen?«
»Wie schon gesagt, es war purer Zufall. Vielleicht auch eine günstige Fügung, wenn du so willst. Frank, ihr kennt doch Frank, unseren Hausburschen, nicht wahr? Er geht abends immer ganz gerne ins Wirtshaus, um Männer aus der Gegend zu treffen und den neuesten Klatsch auszutauschen. Da sagt man immer, Frauen klatschen gerne, aber das ist wohl nichts gegen einen wirklichen Stammtisch im Wirtshaus. Na, jedenfalls eines Abends erfuhr Frank, daß ein Fischerboot mit Schmuggelgut noch in derselben Nacht erwartet wurde. Der Mann, der ihm das erzählte, war ein Fremder. Frank hatte ihn in der Gegend noch nie gesehen. Und er war so strockbetrunken, daß er Frank sein Geheimnis anvertraute. Na ja, wahrscheinlich tat Frank das Seine dazu, um alle Einzelheiten zu erfahren. Unser Hausbursche ist schon immer neugierig gewesen, und außerdem hat er eine Nase dafür, wie man rasch zu Geld kommen kann. Als er in den Plan eingeweiht war, da trug er den Betrunkenen auf ein Zimmer im Wirtshaus hinauf und machte sich davon, um an seiner Stelle zum vereinbarten Treffpunkt zu gehen. Und als er sich in der Dunkelheit auf den Weg machte, da fiel ihm ein, daß er für sein Unternehmen Geld brauchen würde. Schließlich wollten die Leute, die ihr Schiff zur Verfügunggestellt und die den Ärmelkanal bei Nacht und Nebel überquert hatten, ihren Anteil sofort ausbezahlt haben. Und dann brauchte er auch noch Lohn für die Leute, die die Kisten und Fässer schleppen sollten. Er getraute sich nicht, sich an Großpapa zu wenden. Denn auch wenn mein Großvater von den Zollbehörden nichts hielt und früher ab und zu mit Vergnügen ein Gläschen geschmuggelten Brandy schlürfte, so war es doch nicht zu erwarten, daß er die aktive Teilnahme an der Schmuggelei gutheißen würde. Also kam Frank zu mir. Ich überlegte nicht lange und beschloß, meine Ersparnisse in dieses Unternehmen zu investieren. Doch natürlich wollte ich das ganze Geld nicht Frank alleine auf den Weg mitgeben. Es erschien mir zu riskant. Frank ist zwar schlau, daran besteht kein Zweifel. Aber war er auch schlau genug, sich von den anderen Männern nicht übers Ohr hauen zu lassen? Verzeihung, ich meine natürlich, sich um seinen gerechten Anteil bringen zu lassen. Also weihte ich Matthew in den Plan ein, und dann suchten wir gemeinsam passende Kleidung für mich aus. Denn natürlich war es ausgeschlossen, daß ich mich als Frau auf den Weg machen konnte. Zum Glück, obwohl das ja eigentlich kein Glück ist, ist Matthew sehr schlank geworden in den Jahren des Krieges. Und darum waren mir auch seine Hosen nicht allzuweit, wenn ich sie auch mit einem Gürtel fest um die Taille zusammenziehen mußte.«
»Du meinst, dein Verlobter wußte über die Eskapaden Bescheid?« entfuhr es St. James. Der Earl war sichtlich fassungslos. »Und er hat nichts dagegen unternommen?«
Silvie sah ihn mit großen Augen an: »Nichts dagegen unternommen?« wiederholte sie. »Aber was hätte er denn
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