Schneeköniginnen
kommen.
Sie schlüpfte in ein Paar flache
Slipper, zog sich die Lippen nach und machte sich an die Eroberung der
geheiligten Hallen des Konsums. Ehe sie das Plaza verließ, hinterließ sie den
bekleckerten Rock zur Reinigung an der Rezeption.
In einem lauten Coffee Shop nahm sie
ihren Lunch, schon zum zweiten Mal in zwölf Stunden. Eigentlich wäre es ja
schon das Abendessen, rechnete sie, aber wie erkläre ich das meinem Magen, wenn
es für den Kopf schon schwierig genug ist. Man servierte schwammiges Omelett
mit Dosenpilzen und Plastikkäse, annonciert als die Spezialität des Hauses. Die
Tische und Bänke waren angeordnet wie die Zugabteile der Bundesbahn, zweite
Klasse. Herren in grauen Anzügen lunchten mit ihresgleichen oder mit sorgfältig
zurechtgemachten Damen. Diese Fingernägel! Klauen wie Maulwürfe! Die Bedienung
schenkte Anne unaufgefordert Kaffee nach, was Anne sehr zuvorkommend fand,
zumal sie am Ende nur einen bezahlen mußte. Was für eine freundliche Stadt!
Dann reihte sie sich nahtlos ein in
den unendlich fließenden Gesichterstrom. Jeder schien es eilig zu haben. Anne
ließ sich im wuselnden Menschengewimmel um ein paar Ecken treiben und landete,
wie von einem geheimnisvollen Magneten angezogen, bei Bloomingdale’s. Und kam
natürlich nicht mehr raus. Die glitzernde Designerwelt hielt sie erbarmungslos
gefangen. Sie schaffte es größtenteils, den mannigfaltigen Versuchungen, die
Kreditkarte zu zücken, zu widerstehen. Wie gesagt, größtenteils. Bis auf ganz
wenige Kleinigkeiten. Es war bereits später Nachmittag, als es ihr glückte,
diesem Ort der Verlockung zu entfliehen. Die Straßen waren noch immer heiß und
vollgepfropft mit Menschen.
Anne gönnte sich eine Verschnaufpause
im kühlen Schatten eines Wolkenkratzers, die fünf Bloomie-Tüten wie eine Schar
Enten rund um sich versammelt. Ihr Blick glitt an der reflektierenden Fassade
hoch. Funkelndes, blitzendes Glas zerstach den stahlblauen Himmel irgendwo ganz
da oben. Das Ding schien sich zu drehen. Oder drehte sich der Boden? Oder das
Universum? Anne lehnte sich gegen das Gebäude, um nicht umzukippen. Es gab
nicht nach. Der Plastikkäse von vorhin klebte schwer an ihren Magenwänden, und
ihr wurde klar, daß nun die Zeit für einen eiskalten Drink in klimatisierter
Umgebung gekommen war. Ein Taxi zu ergattern versuchten bereits Scharen
anderer, tütenbepackter Menschen an dieser Kreuzung, also machte sie sich zu
Fuß auf den Weg zurück ins Hotel.
In der Subway-Station am Rockefeller
Center liefen Katie zwei Touristen in bizarrem Aufzug vor die Füße. Daß es
Deutsche waren, erkannte ihr geschultes Auge auf den ersten Blick. Nicht
unbedingt an der Kamera, die der Mann auf seinem Ranzen vor sich her
balancierte, eher schon an ihren Shorts, den unrasierten, schwarzstoppeligen
Beinen der blondgefärbten Frau und an den Baseballmützen von McDonalds, er rot,
sie grün. Das Paar blieb stehen, studierte ebenso gründlich wie ratlos den
Fahrplan und war dabei allen im Weg. Die Frau nahm einen ledernen Brustbeutel
vom Hals, um nach Kleingeld zu suchen. Das Grollen eines einfahrenden Zuges wurde
lauter, es herrschte Gedränge und Hektik. Rush Hour. Quietschend stoppte der
Zug und spie eine bunte Menschenmenge aus. Jemand rempelte die Frau an.
Empörtes Herumfahren, ein Griff, ein Aufschrei: »Schätzle! Hilfe, ‘s Geld isch
weg!«
Doch Katie hatte ihren Token parat,
witschte durch das Drehkreuz und schon verschwand sie im Zug, Türen zu, ab.
»Welcome to the Big Apple«, grinste
sie leise vor sich hin.
Eine Station weiter uptown stieg sie
aus, suchte sich eine Nische in einem Ladeneingang und sichtete ihre Beute:
Vierhundert Dollar in bar, Reiseschecks, ein Päckchen feuchte Sagrotantücher.
Na bestens! Würde jetzt noch der Deal mit Whopper heute abend planmäßig über
die Bühne gehen, dann war sie für’s erste wieder flüssig.
Ihr Blick fiel auf ein Paar rabenschwarze
Sneakers im Schaufenster, Marke »Jordan Air«. Solche Dinger waren doch schon
längst fällig. Außerdem brauchte sie dringend einen Ausgehfummel samt Schuhe
für den Abend, eine Zahnbürste, etwas Make-up, neue Jeans und... New York war
noch nie ein billiger Ort gewesen.
Nach einem heftigen Einkaufsbummel
genoß Katie die spätnachmittägliche Atmosphäre des Central Parks. Es war noch
genug Zeit bis zu ihrem Treffen mit Sarah. Katie liebte den Park. Hier war sie
sonntags oft mit ihrem Vater gewesen. Sie hatten Eis gegessen und den
Bladerunnern am Roller
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