Schneeköniginnen
Wir sind jetzt Experten für jiddische
Schimpfwörter. Aber sonst gibt’s nichts Neues, oder, Stefan?«
Auch das letzte Stück ihres Trips
saßen Katie und Anne auf dem Rücken der Maschinen, denn in der Corvette war nur
Platz für zwei. Anne grübelte, während sie über die High Desert auf L. A.
zubrausten, über ihre komplizierten Probleme nach. Ob Stefan wohl Bescheid
wußte wegen der Sache mit Gordon? Wie sollte sie sich in Gegenwart beider am
geschicktesten verhalten? Was war mit ihr und Stefan und ihrer geplanten
Heirat? Und was würde nun aus Katie werden, falls sie ihren Bruder fand, und
was, falls nicht? Und wieso mache ich mir überhaupt Sorgen um diese Göre, wo
ich selber genug am Hals habe... Ein Gedanke zog den nächsten nach sich, und
als die Megastadt ihre Tentakel in Form öder Suburbs nach ihnen ausstreckte,
das Millionärsghetto Beverly Hills vorüberglitt und der Highway 66 zwischen den
Palmen von Santa Monica sang- und klanglos endete, da wußte sie erst recht
keine Antwort auf alle diese Fragen.
Das Geschäft
Um die Zeit des High Noon erreichten
sie den Strand von Santa Monica, wo sich Gordon und Stefan in den zwei
albernsten Badehosen der Westküste fläzten und hinter ihren dunklen Sonnenbrillen
den kalifornischen Mädchen hinterherspechteten.
Der Abschied von Hank und Ringo
verlief kurz, aber nicht unbedingt schmerzlos. Allen war klar, daß sie sich
nicht wiedersehen würden, und sie umarmten sich unbeholfen.
»War ein prima Ritt mit euch«, grinste
Hanky-Panky verlegen. Dann saßen die beiden schon wieder auf ihren Softails,
als wären sie mit ihnen verwachsen.
»Mach’s gut, Mädchen«, brummte Ringo
und zog Katie an den Haaren, die sich verstohlen eine Abschiedsträne über die
Wange schmierte. Die zwei kickten ihre Maschinen an und donnerten los, die
Straße hinunter, bis sie der Verkehr verschluckte.
Mit einer gemieteten
Ford-Familienkutsche, damit sie endlich alle Platz hatten, fuhren sie kurze
Zeit später zu der Adresse, die von wer weiß wem auf einen bierfleckigen
Papierfetzen hingekritzelt war. Es handelte sich dabei um ein Viertel in San
Pedro, einer wenig anziehenden Hafenstadt südwestlich von L. A.
Sie fanden die Straße und das Haus,
eine windschiefe Bruchbude aus Holz, von dem die Farbe abblätterte.
Gordon blieb aus guten Gründen beim
Auto, die anderen bahnten sich einen Weg zur Tür. Auf ihr Klopfen öffnete ihnen
ein Mädchen mit Papierschleifen im nassen, schwarzen Haar. Ob dies der derzeit
letzte Schrei war, oder ob sie die Investition in solide Lockenwickler scheute,
ließ sich schwer sagen. Aus ihren Shorts quoll der halbe Hintern heraus, was
wiederum Stefan mehr beschäftigte als die Frage des Hairstylings.
»Was gibt’s?« fragte sie halb
mißtrauisch, halb neugierig. Ehe Katie Luft holen konnte, legte Anne los:
»Verzeihen Sie die Störung, Miss, aber es ist sehr dringend, sonst würden wir
Sie nicht belästigen, aber da wir...«
»Nein, nicht schon wieder!« Ihr
Gesicht nahm einen sichtlich genervten Ausdruck an. »Erst vor vierzehn Tagen
hab’ ich euren Brüdern und Schwestern verklickert, daß es hier keine Seelen zu
retten gibt. Hat sich das in eurem Verein noch nicht rumgesprochen?«
Katie kapierte sofort. Anne nicht.
»Ich verstehe nicht ganz, Miss, ich
glaube, da liegt ein Irrtum vor.«
Katie seufzte schwer. Diese Anne. Das
hatte sie nun davon, sich immer herzurichten wie eine Museumsdirektorin. Ihre
Kommunikation mit Literaturprofessoren, Sheriffs und Oberkellnern mochte ja
ganz gut klappen, aber mit normalen Leuten — hoffnungslos.
»Ihr seid doch auch von den Zeugen
Jehovas?« hakte Miss Papierlocke nun vorsichtshalber nach.
»Nein, sind wir nicht«, schaltete sich
jetzt Katie entschlossen ein und unterdrückte ein Grinsen über Anne’s
verstörten Blick.
Die Locke zuckte die Achseln. »Ich
dachte nur. Weil die auch immer mit so ‘nem Gesülze von >Verzeihen Sie die
Störung, Miss< anfangen, und ehe man sich’s versieht, quatschen sie einem
die Hucke voll und stehlen einem die Zeit. Was also liegt an?« Sie blickte
herausfordernd in die Runde, wartete auf eine Erklärung.
Katie lieferte sie ihr in knappen
Worten. Anne hielt jetzt lieber den Mund. Die braunen Augen des Mädchens wurden
erstaunt aufgerissen, was sehr apart aussah.
»Ist das wahr? Er hat mir nie was von
‘ner Schwester erzählt. Ich bin übrigens Patricia. Für euch Pat. Also... wenn
ihr ein Bier wollt?« Sie öffnete die Tür bereitwillig. Was
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