Schneeköniginnen
ist der Stoff?«
»Runtergespült, ins Klo.«
»Mach keine solchen Witze mit mir!«
»Er ist in deiner Tasche in meinem
Schrank.«
»Na, hoffentlich kann man dem
Hotelpersonal trauen.«
»Das sagt die Richtige«, meinte Anne
trocken.
»Ich nehme ihn morgen früh mit. Wenn
ihr nichts dagegen habt, bleibe ich über Nacht hier.«
Anne konnte es mal wieder nicht
lassen: »Katie, meinst du wirklich, es ist in Ordnung, was du da tust?«
»Hier übernachten?«
»Quatsch! Stell dich nicht doof. Du
weißt, wovon ich rede.«
»Was soll ich sonst machen? Ich
brauche die Knete. Jeff will mir helfen, das Zeug loszuwerden.«
»Du hast ihm also schon davon
erzählt«, seufzte Anne.
»Natürlich. Deswegen bin ich ja hier.«
Katie tat unbekümmert, aber man merkte ihr eine gewisse Nervosität an, denn sie
malte pausenlos mit dem Finger an ihrem angelaufenen Glas herum.
»Katie«, eröffnete Anne nun die
Schlacht, »bist du dir sicher, daß du deinem Bruder trauen kannst?«
»Wie meinst du das?« fragte Katie
lauernd.
»Daß er dich nicht über’s Ohr haut.
Immerhin geht es um eine Menge Geld.«
»Was soll das? Schließlich ist er mein
Bruder.«
»Der nicht gerade überschäumte vor
Begeisterung, dich zu sehen.«
»Ach was, das hatte nur so den
Anschein. Er tut nur so rotzcool, in Wirklichkeit freut er sich schon«,
verteidigte ihn Katie tapfer.
»Laß lieber die Finger davon. Ist dir denn
an Jeff nichts aufgefallen?«
»Was denn? Okay, er ist im Moment
nicht so gut drauf, hatte ein paar Probleme, aber das kriegt er schon wieder
auf die Reihe...«
»Auf deine Kosten.« Es klang bissiger
als geplant.
»Was regst du dich eigentlich so auf?
Ständig mischst du dich in meine Familienangelegenheiten!«
»Weil ich mir ansehen muß, wie du am
laufenden Band — Verzeihung — Scheiße baust! Hast du denn keine Augen im Kopf?
Dein Bruder säuft oder nimmt Drogen, wahrscheinlich beides, dem sind deine
vielbeschworenen Blutsbande doch schnurzegal, wenn der was von zwei Kilo Kokain
hört.«
»Das ist nicht wahr«, giftete Katie
wütend. »Das ist eine gemeine Unterstellung!«
»Warum sollte ich so etwas behaupten?«
fragte Anne nun in ruhigerem Ton. »Eins kannst du mir glauben, Katie, ich
erkenne einen Junkie, wenn ich einen sehe.«
»Du? Aber natürlich, wie konnte ich’s
vergessen! Bei dir zu Hause geben sich ja die Freaks die Türe in die Hand. Und
am Wochenende hängt ihr alle zusammen vollgedröhnt im Englischen Garten, am Monopteros
herum.«
Anne schluckte. Heute blieb ihr wohl
nichts erspart. »Ich... wir haben so einen Fall in der Familie.«
»Was?«
»Meine Mutter.«
Katie hob mißtrauisch die Augenbrauen.
»Das glaube ich dir nicht.«
»Fiel mir anfangs auch schwer«, Annes
Lächeln entgleiste ein wenig, »aber irgendwann konnte man es nicht mehr
leugnen. Sie trinkt und schluckt alles an Tabletten, was sie kriegen kann. Was
denkst du, warum ich andauernd in Internate gesteckt wurde? Damit ich nicht
mitbekommen sollte, was zu Hause los war.« Anne nippte ausgiebig an ihrem
Drink. »Mein Gott, wie oft hat sie geschworen, aufzuhören, mir und meinem Vater
zuliebe, hat Therapien gemacht und alles mögliche versucht. Sie schien dann
auch zeitweise in Ordnung zu sein. Bis wir dann doch wieder in irgendeinem
Winkel den Schnaps entdeckten, oder die Putzfrau mich vertraulich zur Seite
nahm, um mir die Pillen zu zeigen, die sie beim Aufräumen gefunden hatte. Mein
Vater hat ihr schon längst alle Konten gesperrt, aber sie bringt es sogar
fertig und beklaut mich, wenn ich zu Besuch da bin. Familie zählt da nichts.
Und, ehrlich gesagt, dein Bruder erinnert mich sehr stark an sie.« Anne jagte
die Eiswürfel in ihrem Martiniglas herum. Sie sagten eine Weile nichts.
»Wir beide haben wohl kein Glück mit
unseren Müttern«, schlußfolgerte Katie schließlich. »Aber Jeff ist nicht so,
nein, das kann ich mir nicht denken. Möglich, daß er ab und zu mal was nimmt,
wer tut das nicht? Aber er würde mich nie bescheißen, er hat immer auf mich
gehört, obwohl er älter ist. Wir werden den Deal durchziehen, und dann machen
wir was zusammen.«
Anne erwiderte nichts. Bei diesem
fortgeschrittenen Grad der Verblendung war wohl nichts mehr zu retten.
Vielleicht war es sogar besser, Katie wurde von ihrem eigenen Bruder bestohlen
anstatt von irgendwelchen Dealern, von denen sie obendrein umgebracht wurde.
Katie wechselte an dieser Stelle nur
zu gerne das Thema: »Wie steht’s mit deinen Männern?« fragte sie und
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