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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Würde sie ihn überhaupt
noch hören? Oder war der Tod schneller als der Schall? Würde sie, Anne
Schwartz, hier, im Morgengrauen auf einem elenden Schrottplatz, mit einer Kugel
im Rücken verenden?
    »Lauf, Anne!« rief Katie angstvoll,
denn Patricia war bereits bei Jeffs Wagen. Die letzten paar Meter stolperte
Anne mehr, als sie ging.
    Gordon ließ den Motor an. Anne
schlüpfte durch die hintere Tür neben Stefan. Als sie in Sicherheit war, sprang
auch Katie in den Wagen. Ein Schuß pfiff im selben Augenblick durch die Luft,
und zertrümmerte den linken Scheinwerfer. Katie krallte sich den Revolver und
schoß zweimal durchs halboffene Wagenfenster zurück, so daß allen die Ohren
klingelten. Ob und was sie getroffen hatte, konnten sie nicht feststellen, denn
Gordon trat das Gaspedal durch, und sie flogen mit quietschenden Reifen davon,
eine schützende Staubfahne hinter sich aufwirbelnd.
    Gordon hetzte den Ford in halsbrecherischem
Tempo durch Suburbia. Zuerst sprach niemand etwas. Stefan hielt Anne im Arm,
bis ihr Zittern etwas nachließ.
    »Was ist mit deinem Auge?« fragte
schließlich Katie. »Das ist ja noch blauer als meines von neulich.«
    »Das war Pat.«
    »Sauber. Aber...«, Katie drehte sich
um und sah Anne prüfend an, »deine Augenbrauen... sie sehen eigenartig aus.«
    »Ein bißchen angesengt.«
    »Angesengt?«
    Anne erklärte in knappen Worten, was
vorgefallen war. Gordon bekam Zustände.
    »Benzin! Bist du denn noch bei Trost?
Die ganze Bude hätte in die Luft fliegen können! Der Wahnsinn! Benzin! Das
kommt davon, wenn man Laien solche Tricks zeigt.«
    »Was für Tricks?« Stefan verstand nur
noch Bahnhof.
    »Feuerspucken«, antwortete Anne
leichthin, »hab’ ich dir das noch gar nicht erzählt?«
    »Hast du nicht. Das willst du können?«
    »Für den Hausgebrauch reicht es.«
    »Warum rast du eigentlich so?« fragte
Stefan, als Gordon den Wagen kreischend um eine enge Kurve trieb.
    »Nur, falls sie uns verfolgen.« Anne
und Stefan drehten sich wie auf Kommando um.
    »Das war unverantwortlich, Katie!«
Gordon sprach leise, so daß die hintere Bank nichts mitbekam. Aber die zwei
beobachteten gespannt den nachfolgenden Verkehr.
    »Was denn?« wisperte Katie mit
Unschuldsblick.
    »Dein Trick mit der Probe.
Dilettantismus erster Ordnung! Das konnte ja ein Blinder sehen!«
    »Das ist nicht wahr. So gut wie heute
war ich noch nie. Kein Mensch hat was gemerkt, vor allem nicht Patricia. Nur
du, aber das zählt nicht.«
    »Du hast Annes Leben riskiert.«
    »Ich wußte genau, was ich tat«,
antwortete Katie patzig, »du hast es mir selber beigebracht.«
    »Was ist in den anderen Päckchen?«
    »Puderzucker, aus der Hotelküche.«
    Gordon stöhnte. »Hoffentlich merken
sie das erst, wenn wir in der Luft sind.«
    »Wer? Die Hotelköche?«
    »Sei nicht albern. Deine werte
Verwandtschaft.«
    Jetzt sah sich auch Katie um. Doch
nichts Verdächtiges war zu bemerken.
    »Da ist nichts zu sehen«, meinte Anne.
»Warum sollten sie uns denn auch verfolgen, sie haben doch jetzt, was sie
wollten.«
    Am Flughafen L.A.X. setzte Gordon sie
ab. Danach würde er den Ford zum Autoverleih zurückbringen und dann Harveys
Corvette alleine nach New York fahren. Er küßte Anne zum Abschied einen Tick zu
lange, Stefan sagte aber nichts. Die drei checkten ein und hoben schließlich
ab, ohne daß irgend jemand sie aufgehalten hätte.
    Anne schlief während des gesamten
Fluges. Es gab einiges nachzuholen, nach der unbequemen Nacht, verschnürt wie
eine Salami auf einem harten Küchenstuhl.
    »Das wünsche ich meinem ärgsten Feind
nicht«, gähnte sie und sank in den unsagbar weichen Flugzeugsitz. »Da war’s ja
im Knast deutlich bequemer.«
    »Bitte, wo?« fragte Stefan. Aber Anne
war schon eingedöst, und Katie deutete einen Vogel an: »Sie ist noch ein
bißchen wirr im Kopf. Wir müssen Geduld mit ihr haben.«
    Kaum in der Luft, bestellte Katie
einen Margherita. Verstohlen betrachtete sie Anne, die das ganze Theater recht
gut überstanden zu haben schien. Hätte ich unserem Schickeria-Dämchen gar nicht
zugetraut, gestand sie sich ein. Besonders wenn man bedenkt, daß sie ihr
bisheriges Leben in so ‘ner Art rosa Wolke aus Zuckerwatte verbracht hat.
    Als sie in New York am Flughafen auf
ein Taxi warteten, reckte Katie mit dramatischer Geste die Arme in die Luft und
rief: »Ah, endlich wieder New York. Mein Gott, wie konnte ich nur jemals
glauben, in diesem komischen L. A. leben zu können. Jetzt kriegt mich keiner
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