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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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schüttelte
den Kopf und grinste. »Aber sag bloß nichts zu Katie, sonst rastet sie aus. Für
sie ist er noch immer der Größte.«
    »Ich weiß. Wo ist dieser Friedhof?«
    »In Queens. Warte, das muß ich dir auf
zeichnen, sonst irrst du da tagelang herum.« Lis malte mit kindlichem Eifer
eine Lageskizze auf. »Da müßte es sein.« Sie reichte Anne den Zettel.
    »Du hast ihr doch noch nichts gesagt?«
wandte sich Anne an Gordon.
    »Kein Sterbenswörtchen, wie befohlen.«
    Anne verabschiedete sich rasch und
fuhr mit dem Taxi zu den riesigen Friedhöfen von Queens. Lis’ Skizze erwies
sich als überraschend exakt und hilfreich, und schließlich fand sie Katie, wie sie
im Schneidersitz vor einem ziemlich zugewucherten, in den Rasen eingelassenen
Grabstein kauerte. Neben ihr stand ein gewaltiger Sony Ghetto-Blaster, weiß der
Teufel, wo sie den wieder gestohlen hatte. Es lief allem Anschein nach eine
Baseball-Life-Übertragung.
    »Was treibst du denn da?« fragte Anne
völlig perplex.
    Katie zuckte zusammen. »Verdammt! Du
kannst einen vielleicht erschrecken, mit deiner Scheiß Anschleicherei!« Von
unten herauf fixierte sie Anne mißmutig. »Das siehst du doch.«
    »Allerdings. Du sitzt vor einem
Grabstein und hörst dir volle Lautstärke ein Baseballspiel an.«
    »Basketball, nicht Baseball.« Manchmal
war Anne wahrhaftig nicht von dieser Welt. »Mein Vater liebte Basketball. Das
sind die New York Knicks gegen die Chicago Bulls.«
    »Aha. Wie geht’s?«
    »Die Bulls führen 86 zu 79.«
    »Nicht wie es steht, wie es dir geht!«
Anne mußte fast brüllen.
    »Danke. Bestens«, log Katie.
    Der unerwartete Besuch, noch dazu an
diesem Ort, paßte ihr nicht. Die Ohrfeige von Anne brannte noch immer wie eine frische
Wunde. Es ist seltsam, hatte sie seither ein paarmal gegrübelt, früher oder
später fangen sämtliche Leute um mich herum an, mich zu schlagen. Sogar Anne,
die doch sonst so großen Wert auf feine Umgangsformen legt. Irgendwie glauben
alle, ein Recht dazu zu haben. Außer meinem Vater, der war ganz anders, und
ausgerechnet der ist tot.
    »Mensch, stell doch mal leiser!«
    Widerwillig würgte Katie das röhrende
Ding ab: »Störst du mich deshalb in meiner Andacht, um zu fragen, wie es mir
geht?«
    »Natürlich nicht. Ich möchte dir einen
Job anbieten«, eröffnete Anne ohne lange Vorrede.
    »Du? Mir? Was für einen Job?« fragte
Katie mißtrauisch. »Pillen zählen? Rotäugige Laborratten dressieren?«
    »Beim Radio.«
    »Welches Radio? Laß dir doch nicht
alles aus der Nase ziehen!« Katie sah keinen Anlaß, ihre schlechte Laune zu
verbergen.
    »Mein Sender. Meiner und Gordons. Ich
habe Harvey ausbezahlt. Jetzt gehört der Sender je zur Hälfte mir und Gordon.«
    »Oh, entschuldige, daß ich nicht
gleich darauf gekommen bin!« Katie verdrehte die Augen und schürzte affektiert
die Lippen. »Madame kauft sich also einen Sender, na, wenn’s weiter nichts
ist.«
    »Sei nicht so eklig«, bat Anne ruhig.
    »Willst du nicht selbst einsteigen?«
Das klang immerhin eine Spur verbindlicher.
    »Ich? Nein. Doch nicht mit meinem
Ruth-Westheimer-Akzent. Ich bin nur der stille Teilhaber.«
    Allmählich gewann Katies Neugier doch
die Oberhand. »Und was soll ich dabei? Die Platten abstauben?«
    »Nein, du sollst Sendungen moderieren.
Aber das kann dir alles Gordon näher erläutern. Über deinen Musikgeschmack läßt
sich zwar streiten, aber du kennst dich einigermaßen gut aus. Gordon ist
jedenfalls der Meinung, du wärst die Richtige. Ein großes Mundwerk hast du ja.«
    Katie runzelte skeptisch die Stirn:
»Ich soll also für dich arbeiten?«
    »Daß dir eines klar ist«, erklärte
Anne, die schon mit Katies Iren-stolz gerechnet hatte, »das ist lediglich ein
Geschäft zwischen uns. Du bekommst ein ganz normales Gehalt, teilweise
leistungsabhängig. In der ersten Zeit dürft ihr Verluste machen, die kann ich
von der Steuer absetzen. Aber nach zwei, drei Jahren spätestens will ich
Gewinne sehen, sonst verkaufe ich meinen Anteil. Und noch was: Gordon ist der
Boss, was er sagt, wird gemacht, klar? Wenn du dich eklatant daneben benimmst,
schmeißt er dich sofort raus.«
    So benimmt sich also die knallharte
Geschäftsfrau gegenüber ihrem Personal. Katie begann auf einmal zu lachen, aber
es wirkte unecht.
    »Was ist so witzig?« fragte Anne,
etwas aus der Fassung gebracht.
    Katies Augen wurden schmal wie
Messerrücken. »Es macht Spaß, den lieben Gott zu spielen, wenn man ein
sechsstelliges Bankkonto hat, nicht wahr,

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