Schneeköniginnen
Anne? Es heißt zwar immer, Geben wäre
seliger als Nehmen, aber inzwischen habe ich da so meine Zweifel... Trotzdem
vielen Dank für dein barmherziges Angebot.«
»Ich habe kein sechsstelliges
Bankkonto«, korrigierte Anne.
»Willst du mich verscheißern?«
»Es ist siebenstellig.«
Daraufhin erwiderte Katie erst einmal
gar nichts.
»Da ist noch was... eine kleine
Bedingung...«
»Aha, dachte ich mir doch, daß da ein
Haken ist«, seufzte Katie, »was willst du denn von mir? Soll ich dir meine
Seele verkaufen?«
»Katie«, begann Anne in ungewohnt
mildem Tonfall und sah ihr dabei direkt in die Augen, »was bedeutet dir ein
Versprechen unter Freunden?«
Die Frage irritierte Katie, aber dann
antwortete sie ehrlich: »Was soll die blöde Frage? Das ist endgültig. Ein
Versprechen ist ein Versprechen, sonst ist man ein Schwein.«
»Sind wir noch Freunde?« erkundigte
sich Anne vorsichtig.
»Naja...«
»Es tut mir ehrlich leid, wegen der
Ohrfeige. Ich bin einfach ausgeflippt!«
»Logo sind wir noch Freunde«,
versicherte Katie generös und bedauerte im stillen, daß sie nicht halb so
nachtragend sein konnte, wie sie eigentlich wollte. »Wir sind quitt.«
»Okay.« Anne wirkte erleichtert. Dann
rückte sie heraus: »Katie, würdest du mir, als Gegenleistung für den Job beim
Sender, versprechen, Stefan nicht wiederzusehen?«
»Ob ich...«, Katie geriet ins
Stottern, »hat er dir erzählt... aber ich dachte... also, wir waren bloß mal
zusammen essen.« Vor Verlegenheit wand sie sich wie ein Wurm auf dem Trockenen.
Anne ließ ihr keine Zeit. »Dieser Job
ist eine einmalige Chance für dich, das brauche ich dir wohl nicht extra zu
sagen.«
Nein, das brauchte sie nicht, da gab
sich Katie keinerlei Illusionen hin. »Ich hatte den Eindruck, du wolltest ihn
verlassen, jedenfalls hat er das gesagt«, murmelte sie verdruckst und knetete
ihre Hände.
»Es tut jetzt nichts zur Sache, was er sagt.« Stefan, du feiges, verlogenes Mannsbild! »Das Versprechen gegen den
Job«, beharrte Anne, und ihr Gesicht war nun undurchdringlich wie eine
Sackgasse.
Katie war äußerst unbehaglich zumute.
Diese Frau konnte wirklich cool sein, von der konnte selbst J. R. Ewing noch
was lernen.
»Das muß ich mir überlegen, ich meine,
weißt du...«
»Hast du dich etwa in ihn verknallt?«
fragte Anne mit beißendem Spott.
»Nein, so kann man das nicht sagen.
Ich kenne ihn doch kaum, aber er ist schon nicht übel«, stammelte Katie hin-
und hergerissen.
»Schau dich doch an«, versuchte es
Anne auf die Schmeicheltour, »du kannst doch jeden Kerl haben.«
»Naja...«
»Aber nicht jeden Job.«
Das saß, Katie strich die Segel. Hier
stand die Spinne, und sie war die Fliege. Gefühle konnte sie sich angesichts
ihrer Lage einfach nicht leisten. »Gut, ich beuge mich vor der geballten Macht
des Kapitals«, preßte sie hervor und verkündete etwas versöhnlicher: »Er ist dein Typ, und wenn du ihn immer noch willst, dann werde ich mich raushalten. Und das
nicht bloß wegen deiner plumpen Erpressung, sondern weil ich prinzipiell einer
Freundin keinen Kerl wegschnappe.«
»Das ist um so besser.« Anne lächelte
katzenfreundlich. Katie und ihre Ganovenehre.
Katie setzte eine feierliche Miene
auf: »Also, ich verspreche, ihn nicht mehr zu treffen oder anzurufen und so
weiter. Zufrieden? Oder muß ich es auch noch beim Grabstein meines Vaters
beschwören«, fügte sie zynisch hinzu.
»Das große Indianerehrenwort genügt.«
Anne kam sich blöde und gemein vor, aber es mußte sein.
»Gut, du hast es«, sagte Katie.
Sie gaben sich steif die Hand. Katie
schlug sich an die Stirn. »Mann, ist das albern! Wie die kleinen Kinder!«
»Ich verlasse mich darauf«, sagte Anne
todernst. Ein kurzes Schweigen trat ein.
»Hast du das Koks immer noch?« fragte
Anne beiläufig.
»Willst du es mir abkaufen?«
Anne wandte sich zum Gehen.
»Vielleicht.«
»Moment!« Katie wurde hellhörig. »Wie
darf ich das verstehen?«
»Wenn du das Zeug loswerden willst,
dann sei morgen früh um sechs Uhr an der Fähre nach Staten Island.«
»Morgens um sechs?«
»An der Fähre«, bestätigte Anne knapp,
»alles weitere erkläre ich dir dann. Sei pünktlich!«
»Anne... he, warte doch mal!« Aber
Anne war spurlos verschwunden, wie ein Geist.
Unausgeschlafen, aber auf die Minute,
erschien Katie mit der bewußten Tasche an der Fähre. Anne wartete bereits.
Natürlich, Miss Schwartz, immer einen Schritt voraus, registrierte Katie
gereizt. Bis auf eine
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