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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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war. Nie wieder würde
sie den feuchtwarmen Druck dieser Finger auf ihrer Haut vergessen. Unter
Mobilisierung aller verbliebenen Willenskräfte würgte sie ihren Ekel hinunter.
    »Das auch«, preßte sie hervor, »aber
ich habe seit Stunden nichts mehr geraucht, ich werde jetzt gleich ohnmächtig.«
Sie überwand sich über alle Maßen, knöpfte sein knalleng sitzendes Hemd auf.
Eine bläuliche Tätowierung wurde sichtbar, es sah aus wie Schimmel. Mit
fahrigen Händen strich sie über die steinharte, haarlose Brustmuskulatur. »Das
wäre doch schade, nicht?«
    »Meinetwegen«, seufzte er genervt,
»aber dafür bist du dann auch ganz besonders nett zu mir, klar?«
    »Und wie. Ich kann nämlich tolle
Sachen.«
    Rich faßte in seine Hosentasche und
förderte eine zerdrückte Schachtel Lucky Strikes zutage. »Ist das deine Marke?«
    Anne griff sich gierig eine Zigarette.
»Ich rauche alles.«
    »Du scheinst sie echt nötig zu haben.«
    »Nicht nur die«, keuchte Anne mit
einer original Teresa-Telefonstimme, und deutete auf ihr
Feuerzeug neben den Essensresten. »Gib mir Feuer.«
    Rich gehorchte jetzt willenlos, sein
Resthirn war ihm endgültig in die Hose gerutscht. Diese Braut war ein echter
Glücksfall, stellte sich überhaupt nicht zickig an. Er hielt ihr die Flamme
hin, doch Anne lächelte ihn verheißungsvoll an und nahm die Zigarette wieder
aus dem Mund. Mit ihrer freien Hand griff sie nach der Coladose, setzte sie an
die Lippen und nahm den Mund ordentlich voll. Dann hob sie die Zigarette wieder
auf. Rich, jetzt ganz Gentleman, ließ das Feuerzeug erneut aufflammen.
    Gordon hatte recht gehabt. Benzin war
doch eine ganz andere Sache als Petroleum, nicht nur, was die Geschmacksnote
betraf. Die Wirkung war überzeugend: Eine Hitzewelle schlug Anne scharf
entgegen. Mit einem irren Satz sprang sie zurück. Ein weißer Feuerteppich
saugte sich im Bruchteil einer Sekunde an Rich fest, der im ersten Moment nicht
begriff, was los war. Dann stieß er ein unmenschliches Jaulen aus. Er schmiß
sich auf die Matratze, Anne schauerte zusammen, denn sein Tiergebrüll war kaum
zu ertragen.
    Dann aber reagierte sie blitzschnell.
Sie rannte zur Seitentür, riß sie auf und stand in einem schmalen, fensterlosen
Flur. Ratlos blickte sie sich nach einem Fluchtweg um, als die Tür am anderen
Ende aufsprang. Aufgescheucht von Richs gräßlichen Schreien stürmten Jeff und
Patricia heran. Jeff stürzte an Anne vorbei zur Garage und riß die Tür auf. Ein
Gestank nach Benzin und verbranntem Fleisch waberte durch den Gang. Jeff wurde
bleich wie ein Bettlaken, als er sah, wie sich Rich lodernd am Boden wälzte.
Hilflos flatterte er um den zuckenden Körper herum.
    Patricia behielt als einzige den
Überblick. Einen Moment standen sie und Anne sich gegenüber wie zwei
Sumo-Ringer, dann landete eine Faust in Annes Gesicht, so daß sie prompt zu
Boden ging und sich freiwillig nicht mehr vom Fleck rührte.
    Jeff schaffte es irgendwie, die
Flammen zu ersticken, aber Rich sah übel aus.
    »Pat, wir brauchen einen Arzt, einen
Krankenwagen!«
    »Bist du irre?« antwortete Patricia.
»Pack ihn in den Wagen und bring ihn ins nächste Krankenhaus. Setz ihn da ab
und verschwinde, die werden sich schon um ihn kümmern. Selber schuld, der geile
Bock, was hatte er auch da drinnen zu suchen?«
    Jeff zerrte nun verzweifelt an seinem
Kumpel. »Rich, mein Gott, Rich, kannst du gehen?« Rich konnte nicht. Er war
nicht ansprechbar, krümmte sich stöhnend am Boden.
    »Pat, du mußt mir helfen, alleine
kriege ich ihn nicht in den Wagen!«
    »Immer der Reihe nach«, meinte
Patricia, »zuerst werde ich mich um unser Goldkind kümmern.« Alle Achtung,
dachte Anne, diese Frau versteht es, Prioritäten zu setzen.
    »Aber, schau nur, was sie mit ihm
gemacht hat. Er stirbt womöglich!« winselte Jeff.
    »Wenn schon«, gab Patricia zurück,
»ich wollte ihn von Anfang an nicht dabeihaben. Steh auf«, meinte sie zu Anne, und
es klang nicht einmal unfreundlich. Anne leistete klugerweise keinen
Widerstand. Patricia brachte sie ins Haus, führte sie in eine Art Besenkammer
und drückte sie in einen Stuhl. Auf dem wurde sie sachgemäß festgebunden, sie
konnte sich wirklich keinen Zentimeter mehr rühren. Patricia knipste das Licht
aus.
    »Du kannst ruhig Krach schlagen, das
interessiert hier keinen.« Aber Anne sagte nichts mehr, ihr reichte es. Sie
fühlte ihre Wange aufquellen wie ein Marshmallow in der Mikrowelle, außerdem
tat ihr dieser Rich trotz allem ein wenig leid.

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