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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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nicht mit Sicherheit sagen kann.” “Okay, aber im nüchternen Zustand?”
    “Nein, niemals.”
    “Und was denkst du dann über mich? Dass ich jetzt hier bin?” “Willst du mich irgendwie auf die Probe stellen?”
    “Ich meine es ernst, Harry.”
    “Ich weiß. Ich weiß nur nicht, ob ich darauf antworten will.” “Dann behalte ich die Zigarette.”
    “Oh, na dann. Ich denke, du willst mich, wünschst dir aber eigentlich, ihn zu wollen.”
    Die Worte blieben über ihnen hängen, als wären sie in das Dunkel des Schlafzimmers geprägt worden.
    “Du bist so verdammt abgeklärt”, sagte Rakel schließlich, reichte Harry die Zigarette und verschränkte die Arme. “Vielleicht sollten wir lieber nicht weiter darüber reden?”, schlug Harry vor.
    “Ich muss aber darüber reden! Kapierst du das nicht? Sonst werd ich noch verrückt. Mein Gott, wahrscheinlich bin ich das schon, allein schon die Tatsache, dass ich hier bin … ” Sie zog sich die Decke bis ans Kinn.
    Harry drehte sich um und schmiegte sich an sie. Noch bevor er sie berührte, hatte sie die Augen geschlossen, den Kopf nach hinten gelegt und die Lippen halb geöffnet, und er konnte hören, wie sich ihr Atem beschleunigte. Und er dachte: Wie macht sie das bloß? Von einem Augenblick auf den anderen von Scham zu Geilheit? Wie kann sie so … abgeklärt sein?
    “Glaubst du, dass uns das schlechte Gewissen geil macht?”, fragte er. Er sah, wie sie, überrascht und frustriert über die ausbleibende Berührung, die Augen öffnete und an die Decke starrte. “Dass wir nicht trotz unserer Scham untreu werden, sondern gerade wegen ihr?”
    Sie blinzelte ein paar Mal.
    “Da ist was dran”, antwortete sie schließlich. “Aber das ist nicht alles. Nicht dieses Mal.”
    “Dieses Mal?”
    “Ja.”
    “Ich habe dich mal gefragt, und da hast du gesagt … “
    “Da habe ich gelogen”, fiel sie ihm ins Wort. “Ich war früher schon einmal untreu.”
    “Hm.”
    Sie lagen still nebeneinander und lauschten dem fernen Brummen des nachmittäglichen Verkehrs auf der Pilestredet. Sie war direkt von der Arbeit zu ihm gekommen, und Harry kannte ihren und Olegs Tagesablauf und wusste, dass sie jetzt bald gehen musste.
    “Weißt du, was ich an dir hasse?”, fragte sie schließlich und zog ihn fest am 0hr. “Du bist so verdammt stolz und starrköpfig, dass du nicht einmal fragst, ob ich dir untreu war.”
    “Na ja.” Harry, nahm ihr die heruntergebrannte Zigarette aus der Hand und betrachtete ihren nackten Körper, als sie aus dem Bett stieg. “Warum sollte ich das wissen wollen?”
    “Aus dem gleichen Grund wie der Mann von Birte. Um die Lüge zu entlarven. Die Wahrheit zu erfahren.”
    “Glaubst du, die Wahrheit macht Filip Becker weniger unglücklich?”
    Sie zog sich den engen schwarzen Wollpullover über den Kopf, direkt auf die nackte, weiche Haut. Wenn überhaupt, dann war er auf diesen Pullover eifersüchtig, dachte Harry.
    “Wissen Sie was, Herr Hole? Für jemanden, dessen Job es ist, unbequeme Wahrheiten herauszufinden, halten Sie verdammt gern an Lebenslügen fest.”
    “Okay”, seufzte Harry und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. “Dann erzähl mal.”
    “Es war in Moskau, während ich mit Fjodor zusammen war. Damals fing ein norwegischer Attache an der Botschaft an, mit dem ich vorher schon mal einen Anwärterkurs besucht hatte. Wir haben uns verliebt.”
    “Und?”
    “Er war eigentlich auch in festen Händen. Als wir mit unseren jeweiligen Partnern Schluss machen wollten, kam sie ihm zuvor und eröffnete ihm, sie sei schwanger. Und da ich in der Regel einen guten Geschmack habe, was Männer angeht … “, sie verzog die Lippen, während sie sich die Stiefel anzog, ” … hatte ich mir natürlich wieder einen gesucht, der sich nicht vor der Verantwortung davonstahl. Er stellte einen Versetzungsantrag zurück nach Oslo, und wir haben uns nie wiedergesehen. Und Fjodor und ich haben geheiratet.”
    “Und gleich darauf bist du schwanger geworden?”
    “Ja.” Sie knöpfte sich den Mantel zu und sah auf ihn herab. “Und manchmal habe ich gedacht, dass ich ihn damit vergessen wollte. Dass Oleg nicht ein Resultat der Liebe ist, sondern des Liebeskummers. Glaubst du das?”
    “Ich weiß nicht”, erwiderte Harry. “Ich weiß nur, dass das Resultat gut ist.”
    Sie lächelte ihn dankbar an, beugte sich zu ihm herunter und gab ihm einen Kuss auf die Stirn: “Wir werden uns nie mehr wiedersehen, Hole.”
    “Natürlich nicht”,

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