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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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auch mit dem Sex, auf den er fortan nicht mehr verzichten wollte.
    Kurz gesagt, Erik Lossius hatte sein Gegenstück gefunden.
    Ja, denn für seine Begriffe dachte sie wie ein Mann, weil sie nämlich nicht so tat, als wollte sie irgendetwas anderes als er. Sie wollte sich mit ihm die Seele aus dem Leib ficken. Was ihnen in gewisser Weise auch gelang. Auf jeden Fall begannen sie sich in leeren Wohnungen zu treffen, die gerade geräumt worden waren oder frisch bezogen werden sollten. Mindestens einmal im Monat und immer mit einem gewissen Risiko, entdeckt zu werden. Sie waren schnell, effektiv und hielten sich dabei an feste, unerschütterliche Rituale. Trotzdem freute sich Erik Lossius auf diese Begegnungen jedes Mal wieder wie ein Kind auf Weihnachten, nämlich mit unverstellter, unkomplizierter Erwartung, die nur durch die Gewissheit verstärkt wurde, dass alles so sein würde wie beim letzten Mal und alle Erwartungen erfüllt werden würden. Sie lebten in parallelen Welten in parallelen Wirklichkeiten, und das Arrangement schien ihr genauso gut zu passen wie ihm. Und so trafen sie sich weiter, nur unterbrochen von der Geburt des Kindes, glücklicherweise einem Kaiserschnitt, ein paar längeren Ferien und einer harmlosen Geschlechtskrankheit, deren Ursache er weder herausfinden konnte noch wollte. Auf diese Art waren inzwischen zehn Jahre vergangen, und vor Erik Lossius, der auf einer halbvollen Pappkiste in einer halbausgeräumten Wohnung saß, stand nun plötzlich ein großer, kahlgeschorener Kerl mit Rasenmäherstimme und fragte, ob er Birte Becker gekannt habe.
    Erik Lossius schluckte.
    Der Kerl hatte sich als Harry Hole vorgestellt, Hauptkommissar des Morddezernats, sah aber eher aus wie einer seiner Arbeiter. Die Polizisten, mit denen Erik nach der Vermisstenmeldung zu tun gehabt hatte, waren von der Vermisstenstelle gewesen. Als ihm dieser Typ seinen Ausweis zeigte, dachte er daher gleich an Neuigkeiten über Camilla. Genauer gesagt, schlechte Neuigkeiten, denn sonst hätte sich dieser Mann wohl kaum persönlich herbemüht, sondern einfach angerufen. Erik Lossius hatte seine Arbeiter deshalb nach draußen geschickt und bat den Kommissar, Platz zu nehmen, während er sich selbst eine Zigarette anzündete und sich auf das Unvermeidliche vorbereitete.
    “Na?”, fragte der Kommissar.
    “Birte Becker? “, wiederholte Erik Lossius und versuchte, seine Zigarette anzuzünden und gleichzeitig schnell zu denken. Nichts von beidem gelang ihm. Mein Gott, er konnte nicht einmal langsam denken.
    “Ich verstehe schon, dass Sie sich erst einmal sammeln müssen “, beruhigte ihn der Kommissar und nahm sich selbst eine Zigarette: ” Tun Sie das ruhig. “
    Erik sah zu, wie der Mann sich eine Camel anzündete, und zuckte zusammen, als er seinen Arm ausstreckte und ihm das brennende Feuerzeug hinhielt.
    “Danke”, murmelte Erik und zog so stark, dass der Tabak knisterte. Der Rauch füllte seine Lungen, und fast fühlte es sich an, als hätte er sich das Nikotin direkt ins Blut injiziert und damit die Blockade gelöst. Ihm war immer klar gewesen, dass es eines Tages geschehen konnte. Die Polizei konnte jederzeit irgendeine Verbindung zwischen ihm und Birte finden und die entsprechenden Fragen stellen. Dabei hatte er aber immer nur daran gedacht, wie er das Ganze vor Camilla geheim halten konnte. Jetzt war alles anders. Von genau diesem Moment an war alles anders. Denn nun wurde ihm bewusst, dass die Polizei eine Verbindung zwischen den beiden Vermisstenfällen ziehen könnte.
    “Birtes Ehemann, Filip Becker, hat ein Notizbuch gefunden, in dem Birte codierte Eintragungen gemacht hat”, erklärte der Polizist. “Allerdings waren sie nicht schwer zu entziffern. Es handelte sich um Telefonnummern, Termine und kleine Nachrichten, die relativ wenig Zweifel daran lassen, dass Birte regelmäßig Kontakt mit anderen Männern gehabt hat.”
    “Männern?”, rutschte es Erik heraus.
    “Ich weiß nicht, ob Sie das tröstet, aber Becker meinte, am häufigsten hätte sie sich mit Ihnen getroffen. An den unterschiedlichsten Adressen, wenn ich das richtig verstanden habe?”
    Erik antwortete nicht. Er fühlte sich, als würde er in einem Boot sitzen und hilflos zusehen, wie sich am Horizont eine Flutwelle aufbaute.
    “Dann hat sich Becker Ihre Adresse besorgt, die Spielzeugpistole seines Sohnes eingesteckt - eine verdammt gute Kopie einer Glock 21-und ist nach Tveita gefahren, um vor Ihrem Haus auf Sie zu warten. Er wollte bloß

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