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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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vierten Nummer meldete sich eine zwitschernde, fast lachende Stimme, die endlich das Gewünschte sagte:
    ” Ja, das bin ich.”
    “Hej, Borghild, hier spricht Hauptkommissar Harry Hole von der Polizei in Oslo.”
    “Geburtsdatum? “
    “Irgendwann im Frühling, aber es dreht sich hier um einen Mordfall. Ich gehe davon aus, dass Sie heute die Zeitung gelesen haben? Was ich von Ihnen wissen will, ist, ob Sie in der letzten Woche Sylvia Ottersen gesehen haben?”
    Es wurde still am anderen Ende. “Einen Augenblick.”
    Harry hörte, wie sie aufstand und verschwand. Dann war sie wieder zurück:
    “Tut mir leid, Herr Hole. Patienteninformationen unterliegen der Schweigepflicht. Die Polizei sollte das doch eigentlich wissen.” “Das wissen wir auch. Aber wenn ich mich nicht irre, ist nicht Sylvia Ihre Patientin, sondern deren Töchter.”
    “Das ist egal. Sie bitten um Informationen, die indirekt Auskunft darüber geben, wer bei uns Patient ist.”
    “Darf ich Sie daran erinnern, dass es sich um einen Mordfall handelt?”
    “Und darf ich Sie daran erinnern, dass Sie eine richterliche Verfügung brauchen? Wir sind möglicherweise ein bisschen kleinlicher als andere, aber das liegt wohl in der Natur der Sache.” “Natur?”
    “Na, unser Spezialgebiet.” “Als da wäre?”
    “Plastische Chirurgie und besondere Operationen. Schauen Sie sich unsere Webseite an. www.kirklinik.no”
    “Danke, aber ich glaube, vorerst weiß ich genug”, erklärte Harry.
    “Wenn Sie meinen, bitte. ” Sie legte auf.
    “Und?”, fragte Katrine.
    “Jonas und die Zwillinge waren beim selben Arzt”, verkündete Harry und lehnte sich zurück. “Und das bedeutet, wir haben etwas.”
    Harry spürte den Impuls, das Zittern, das ihn immer überkam, wenn er sich dem Biest zum ersten Mal näherte. Und auf den Impuls folgte dann immer die große Besessenheit. Die alles auf einmal war: Liebe und Dope, Blindheit und Klarsicht, Sinn und Unsinn. Die Kollegen sprachen manchmal von Spannung, aber das war etwas ganz anderes, etwas viel Größeres. Er hatte nie jemandem von dieser Besessenheit erzählt oder auch nur den Versuch unternommen, sie zu analysieren. Er wagte es nicht. Er wusste nur, dass sie der Treibstoff seiner Arbeit war. Mehr brauchte er nicht zu wissen. Wirklich nicht.
    “Und jetzt?”, fragte Katrine.
    Harry öffnete die Augen und sprang von seinem Stuhl auf. ” Jetzt gehen wir shoppen.”
    Der Laden Taste of Africa lag in unmittelbarer Nachbarschaft der belebtesten Einkaufsstraße in Majorstua, dem Bogstadveien. Aber die vierzehn Meter, die ihn von dieser Straße trennten, reichten schon, um ihn ins Abseits zu stellen.
    Eine Glocke an der Tür klingelte, als Harry und Katrine hereinkamen. Im gedämpften Licht - besser gesagt im fehlenden Licht sah er grobgewebte Teppiche in leuchtenden Farben, sarongähnliche Tücher, große Kissen mit westafrikanischen Mustern, kleine Sofatische, die aussahen, als wären sie direkt aus dem Regenwald geschlagen worden, und hohe, dünne Holzfiguren, die Massai darstellten und eine Auswahl der bekanntesten Tiere der Savanne. Alles wirkte genau geplant und umgesetzt; es gab keine sichtbaren Preisschilder, die Farben passten zueinander, und die Gegenstände waren jeweils paarweise angeordnet wie auf der Arche Noah. Mit anderen Worten, es sah eher aus wie eine Ausstellung als ein Laden. Eine etwas verstaubte Ausstellung. Ein Eindruck, der durch die unnatürliche Stille noch verstärkt wurde, die eintrat, als die Tür ins Schloss gefallen und die Glocke verstummt war.
    “Hallo?”, rief jemand aus dem hinteren Teil des Ladens. Harry ging in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
    Im Dunkel sah er ganz hinten im Laden, versteckt hinter einer riesigen Holzgiraffe und nur von einem einsamen Spot erleuchtet, den Rücken einer Frau, die auf einem Stuhl stand und eine schwarze, grinsende Holzmaske an der Wand befestigte.
    “Worum geht es?”, fragte sie, ohne sich umzudrehen.
    Es klang so, als rechnete sie mit allem Möglichen, nur nicht mit Kunden.
    “Wir sind von der Polizei.”
    “Ach ja.” Als sich die Frau umdrehte und das Licht des Spots auf ihr Gesicht fiel, spürte Harry sein Herz stocken, automatisch trat er einen Schritt zurück. Es war Sylvia Ottersen.
    “Stimmt was nicht? “, fragte sie, während sich eine Falte zwischen ihren Brillengläsern bildete.
    “Wer … wer sind Sie?”
    “Ane Pedersen”, stellte sie sich vor und schien im gleichen Moment zu begreifen, warum Harry

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