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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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einer der am meisten unterschätzten Filme, du hast doch da so deine eigene Liste.” “Ja, aber diese Filme gefallen dir doch nie?” “Das stimmt nicht.”
    “Na Starship Troopers hat dir auf jeden Fall nicht gefallen.”
    “Ja, das war aber auch so ein Scheiß-Macho-Film.” “Das ist eine Satire”, korrigierte Harry.
    “Und worüber bitte?”
    “Über den angeborenen Faschismus in der amerikanischen Gesellschaft. Hardy Boys meet Hitlerjugend.”
    “Jetzt hör aber auf, Harry. Krieg gegen Rieseninsekten auf einem entfernten Planeten?”
    “Fremdenangst. “
    “Auf jeden Fall hat mir dieser eine Film aus den Siebzigern gefallen, der mit dem Abhören … “
    “The Conversation”, sagte Harry. “Coppolas bester Film.” “Genau, da bin ich ganz deiner Meinung, der wird unterschätzt.”
    “Nee, unterschätzt wird der nicht”, seufzte Harry, “der ist bloß in Vergessenheit geraten. Der hat mal einen Oscar für den besten Film gekriegt.”
    “Ich geh heute Abend mit ein paar Freundinnen essen. Ich kann auf dem Rückweg bei dir vorbeikommen. Bist du so gegen zwölf zuhause?”
    “Vielleicht. Warum kommst du nicht auf dem Hinweg vorbei?” “Ist ein bisschen eng. Ich kann’s aber versuchen.”
    Ihre Antwort war schnell gekommen, trotzdem hatte Harry es gehört.
    “Hm”, machte er. “Ich kann ohnehin nicht schlafen. Atme Schimmel ein, der mir die Luft nimmt.”
    “Weißt du was, ich leg ihn unten in den Briefkasten, dann brauchst du nicht aufzustehen, okay?”
    “Okay.”
    Sie legten auf. Harry sah, dass seine Hand leicht zitterte. Er schob das auf den Nikotinmangel und ging zum Fahrstuhl.
    Katrine kam aus ihrem Büro, als hätte sie gehört, dass er auf dem Flur war. “Ich habe mit Espen Lepsvik gesprochen. Wir kriegen heute Abend einen seiner Leute.”
    “Super.”
    “Gute Neuigkeiten?” “Wieso?”
    “Du grinst so.”
    ” Tue ich das? Dann freue ich mich wohl.” “Worauf?”
    Er klopfte auf seine Tasche. “Zigaretten. “
     
    Eli Kvale saß mit einer Tasse Tee am Küchentisch, blickte in den Garten und hörte das beruhigende Rumpeln der Waschmaschine. Das schwarze Telefon stand auf der Anrichte. Der Hörer war in ihrer Hand ganz warm geworden, so fest hatte sie ihn gehalten, dabei hatte sich bloß jemand verwählt. Trygve hatte das Fischgratin gemocht, ja, er hatte sogar gesagt, es sei sein Leibgericht. Aber das sagte er immer. Er war so ein guter Junge. Draußen klebte das Gras braun und leblos am Boden. Von dem Schnee, der in der Nacht gefallen war, fehlte jede Spur. Aber wer weiß, vielleicht hatte sie das Ganze auch nur geträumt?
    Sie blätterte planlos durch ein Magazin. Sie hatte sich den ersten Tag nach Trygves Rückkehr freigenommen, damit sie ein bisschen Zeit hatten. Mal anständig miteinander reden konnten, nur sie zwei. Doch jetzt saß er mit Andreas im Wohnzimmer und machte mit ihm genau das, wofür sie sich freigenommen hatte. Aber das war in Ordnung, die zwei hatten bestimmt mehr zu besprechen. Sie waren sich ja so ähnlich. Und eigentlich war ihr der Gedanke, sich mit jemandem auszusprechen, immer lieber gewesen als das eigentliche Gespräch. Weil das Gespräch notwendigerweise immer irgendwo enden musste. An der großen, unüberwindbaren Wand.
    Natürlich hatte sie eingewilligt, den Jungen nach Andreas’ Vater zu nennen. Ihm wenigstens einen Namen von Andreas’ Seite zuzugestehen. Dabei hätte sie ihm kurz vor der Geburt beinahe alles erzählt. Von dem leeren Parkplatz, der Dunkelheit und den schwarzen Spuren im Schnee. Dem Messer an ihrer Kehle und dem gesichtslosen Atem an ihrer Haut. Als sie auf dem Rückweg spürte, wie ihr das Sperma aus der Scheide lief, hatte sie nur gebetet, dass wirklich alles aus ihr herausrann, jeder Tropfen. Aber ihre Gebete waren nicht erhört worden.
    Später hatte sie sich oft gefragt, wie es gewesen wäre, wenn Andreas nicht Pastor und seine Einstellung zur Abtreibung nicht so eindeutig gewesen wäre, oder wenn sie selbst nicht so feige gewesen wäre. Wenn Trygve nicht geboren worden wäre. Doch da stand die Wand bereits, diese unerschütterliche Mauer ihres Geheimnisses.
    Dass Trygve und Andreas so viel gemeinsam hatten, war wie ein Segen in all dem Fluch. Sie hatte sogar gewisse Hoffnungen entwickelt und einem Arzt, der weder sie noch ihre Familie kannte, zwei Haare gegeben. Sie hatte irgendwo gelesen, dass es leicht sein sollte, daraus einen Code zu extrahieren, die sogenannte DNA, eine Art genetischen Fingerabdruck. Die

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