Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø

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eine kleinere Liebe? Vielleicht, aber dafür eben in eine dauerhafte Liebe.
    Sie schnurrte und streichelte ihm über den Bauch. Trotzdem spürte er die leichte Anspannung in ihrem Körper. Er konnte es ihr schwer-oder leichtmachen und entschied sich für Letzteres. “Schlechtes Gewissen?”, fragte er und spürte, wie sie zusammenzuckte.
    “Ich will nicht darüber reden”, wehrte sie ab.
    Auch er wollte nicht darüber reden. Er wollte ganz ruhig liegen bleiben, ihrem Atem lauschen und ihre Hand auf seinem Bauch spüren. Doch er wusste, was er zu tun hatte, und er wollte es nicht auf die lange Bank schieben. “Er sitzt zu Hause und wartet auf dich, Rakel”
    “Nein”, sagte sie. “Er bereitet mit einem Assistenten die Leiche für die morgige Vorlesung in der Anatomie vor. Und ich habe ihm gesagt, dass er nicht direkt zu mir kommen soll, wenn er vorher an Leichen herumgefingert hat. Er schläft dann bei sich.”
    “Und was ist mit mir?”, fragte Harry lächelnd ins Dunkel und dachte, dass sie das alles geplant und schon vorher gewusst hatte, dass es geschehen würde. “Woher willst du wissen, dass ich nicht auch an Leichen herumgefingert habe?”
    “Hast du das denn?”
    “Nein”, antwortete Harry und dachte an die Schachtel Zigaretten, die auf dem Nachtschränkchen lag. “Wir haben nämlich keine Leiche.”
    Sie wurden still. Ihre Hand zeichnete jetzt größere Kreise auf seinen Bauch.
    “Ich habe das Gefühl, dass sich jemand bei uns eingeschlichen hat”, sagte er plötzlich.
    ” Wie meinst du das?”
    “Ich weiß auch nicht richtig. Nur so ein Gefühl, dass mich jemand beobachtet, die ganze Zeit. Dass es eine Art Plan für mich gibt. Verstehst du?”
    “Nein.” Sie schmiegte sich fester an ihn.
    “Das ist dieser Fall, an dem ich arbeite. Als wäre meine Person selbst ein Teil … “
    “Psst.” Sie biss ihn ins Ohr. “Du bist immer involviert, Harry, das ist ja gerade dein Problem. Entspann dich jetzt.”
    Ihre Hand legte sich um sein schlaffes Glied, und er schloss die Augen, lauschte ihrem Flüstern und spürte die Erektion kommen.
    Um drei Uhr in der Nacht stand sie auf. Im Licht der Straßenlaternen, das durch die Fenster hereinfiel, sah er ihren Rücken. Den sanft geschwungenen Bogen. Den Schatten ihres Rückgrats. Und musste an etwas denken, was Katrine Bratt erwähnt hatte. Sylvia Ottersen hatte eine Tätowierung auf dem Rücken, eine äthiopische Flagge. Er durfte nicht vergessen, das im Bericht zu vermerken. Und er dachte sich, dass Rakel recht hatte: Er hörte nie auf, an einen Fall zu denken, er war immer involviert.
    Er begleitete sie zur Tür. Sie küsste ihn rasch auf den Mund und verschwand über die Treppe nach unten. Es musste nichts gesagt werden. Er wollte gerade die Tür schließen, als er die nassen Stiefelspuren vor seiner Tür bemerkte. Er blickte ihnen nach und sah sie im Dunkel der Treppe verschwinden. Die musste Rakel vorhin hinterlassen haben. Und er dachte an die Seehunde in der Beringstraße. An das Weibchen, das sich in der Paarungszeit mit einem Männchen zusammentat, später aber nie wieder zu dem gleichen Partner zurückkehrte. Weil das biologisch nicht sinnvoll war. Die Seehunde in der Beringstraße mussten kluge Tiere sein.

KAPITEL 13
    9. Tag. Papier
    Es war halb zehn, und die Sonne fiel auf ein einzelnes Auto im Kreisverkehr über der Autobahn bei Sj01yst. Es fuhr ab in Richtung Bygd0yveien, der auf die idyllische, ländliche Halbinsel führte, die mit dem Auto nur fünf Minuten vom Rathausplatz entfernt war. Es war still, auf der Straße war kaum Verkehr, und auf den Feldern des königlichen Hofes waren weder Kühe noch Pferde zu sehen. Auch die schmalen Bürgersteige, auf denen im Sommer ganze Heerscharen von Menschen zu den Badestränden pilgerten, waren leer.
    Harry steuerte den Wagen durch die Kurven des hügeligen Geländes, während er Katrine zuhörte. “Schnee”, begann sie.
    “Schnee?”
    “Ich hab getan, worum du mich gebeten hast. Hab mich nur um die Vermisstenmeldungen gekümmert, die verheiratete Frauen mit Kindern betreffen. Und mir dann die Daten angeguckt. Die meisten waren im November oder Dezember. Ich habe sie gesondert betrachtet und mir die geographische Verbreitung angesehen. Die meisten sind in Oslo, ein paar aber auch übers Land verteilt. Und dann musste ich an diesen Brief denken, den du gekriegt hast. Da ist doch die Rede davon, dass der Schneemann am Tag des ersten Schnees wieder auftaucht. Und dass es an dem Tag, an dem