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Schneemond (German Edition)

Schneemond (German Edition)

Titel: Schneemond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kohlpaintner
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musste.
    »Aber sehen Sie denn nicht, wohin das führt«, keuchte Moore nun fast. »Zur Hexenjagd! Aufgrund solcher Konstrukte wurden Menschen verfolgt und getötet, weil sie anders dachten, als die breite Masse.«
    »Und um sich vor derartigen Auswüchsen zu schützen, erklären Sie die Kraft des Geistes für imaginär? Das wäre das Gleiche, Dr. Moore, als wollten Sie Rassenverfolgungen verhindern, in dem Sie alle Andersfarbigen weiß anmalen.«
    Markow legte Moore beschwichtigend die Hand auf die Schulter, als der gerade zu einer erregten Erwiderung ansetzte.
    »Die Kraft des menschlichen Geistes ist immens, Dr. Moore. In allen Höhen und Tiefen. Doch wahre Größe entspringt nur aus der Entscheidung zwischen Licht und Finsternis.«
    Die Worte Markow’s berührten Moore auf eine seltsame Weise und er dachte lange Augenblicke darüber nach, bevor er den Kopf schließlich wieder hob und den alten Mann aus müden Augen anblickte.
    »Also gut, Mr. Markow. Ich bin bereit, diese Aussagen von Ihnen einfach einmal unkommentiert stehen zu lassen. Aber worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Und was hat das alles mit dem Corden-Marno-Fall zu tun?«
    Markow nickte.
    »Eine berechtigte Frage! Es gibt eine Legende, die sehr eng mit diesen Morden verknüpft ist. Und ich habe Sie hierher gelockt, weil ich Ihnen diese Legende – die wichtigste von allen – erzählen muss. Ich muss das tun, damit Sie verstehen. Ich muss das tun, weil ich spüre, dass Sie noch eine bedeutende Rolle zu spielen haben, bevor das Gleichgewicht der Kräfte wieder hergestellt ist. Und ich muss das vor allem tun, weil Sie die gleichen Kräfte, die Sie schon bei anderen so vehement leugnen, selbst haben und Sie deshalb meine Nachfolge antreten werden.«
    »Verloren? Was heißt das, Ihr habt sie verloren?« Gorans Blick verhieß nichts Gutes. »Ihr Schwachköpfe«, bellte er den Kerl in der Lederjacke an, der, ein Handy am Ohr, neben ihm auf dem Fahrersitz saß.
    Die Limousine stand auf dem Parkplatz vor dem grauenhaft gigantischen Palast der Republik, der zu DDR-Zeiten als Regierungssitz des ostdeutschen Staates gedient hatte.
    »Sie können nicht weit sein«, versuchte ihn der Fahrer zu beruhigen. »Wir werden sie sicher bald aufspüren.«
    Goran funkelte ihn böse an. »Na darauf würde ich meinen Arsch aber nicht verwetten. Ich mach das lieber auf meine Weise.«
    Er öffnete die Türe und schickte sich an, auszusteigen.
    »Aber Mr. Salin....«, setzte der Slawe beschwichtigend an.
    Goran drehte sich zu dem Mann um und beugte sich ganz nahe zu ihm hinüber. Er roch den Angstschweiß, der von dem anderen in dünnen Fäden aufstieg. Leise, fast zärtlich, flüsterte er dem Anderen ins Ohr:
    »Denkst Du, dass mich Deine Meinung auch nur im Geringsten interessiert? Hier bin ich der Boss, hast Du das verstanden? Und wenn ich sage, wir machen das auf meine Weise, dann will ich, von Dir Affengesicht, nicht einen Furz hören. Und nun trommle Deine Leute zusammen und sag ihnen, wir treffen uns
hier

    Er hielt dem Fahrer eine Straßenkarte von Berlin unter die Nase und stach mit einem Finger mitten hinein. Der Andere nickte ergeben und gab diese Instruktionen durch das Handy weiter, während Goran aus dem Auto stieg und auf dem hell erleuchteten Platz, im strömenden Regen, stehen blieb. Langsam drehte er sich einmal um seine eigene Achse und spürte, wie diese unsagbare Macht von ihm Besitz ergriff. Es war, als würden alle seine Sinne geschärft und er sog das Treiben der Stadt förmlich in sich auf. Dann plötzlich konnte er es spüren. Wie ein zartes Vibrieren nahm er dieLebensspur, die Moore durch diese Stadt gezogen hatte, wahr. Er fühlte ihn so, wie er ihn damals gefühlt hatte, im Krankenhaus in Superior, als er waidwund und halb tot unter den Trümmern, im Gang, gelegen und voller Entsetzen zu ihm aufgeblickt hatte. Ja, der Wolf war auf der Jagd und hatte die Witterung seines Opfers aufgenommen.
    »Die Legende, die ich Ihnen erzählen werde, findet sich in der ältesten Form auf einer Stele, die bei Ausgrabungen der Stadt Ur im Zweistromland gefunden wurde.«
    Markow machte eine kurze Kunstpause.
    »Es wird erzählt, dass am Anfang aller Dinge Licht und Finsternis eins waren. Doch mit der Erschaffung der Menschen teilten sich alle Dinge. Der Tag wurde zum Tag und die Nacht zur Nacht. Finsternis und Licht kreisten nun umeinander, als gleichberechtigt unter den Augen Gottes. Doch schließlich wurde der Finsternis bewusst, dass sie nur dazu diente, das

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