Schneemond (German Edition)
Licht herauszustellen und seine Schönheit zu unterstreichen. Und sie neidete dem Licht seine Stellung in der Welt, nicht erkennend, dass sie beide voneinander abhingen und einer ohne den anderen nicht sein konnte. Doch das Licht selbst, war aus eben diesen Gründen für die Finsternis nicht angreifbar, so dass sie die wahre und reine Liebe, die dem Licht am nächsten kam, zu vernichten suchte. Dies jedoch wollte Gott nicht zulassen und erwählte zum Schutz für die Liebe sieben goldene Seelen, unter den noch jungen Menschen aus. Sieben, die an Aufrichtigkeit und Güte unübertroffen waren und formte aus ihnen einen Bund. So behüteten diese sieben goldenen Seelen die reine Liebe, die sich immer wieder in ihrem eigenen Feuer verzehrte, nur um wieder Liebe hervorzubringen.«
Markow unterbrach sich kurz, um einen Schluck zu trinken und Moore war erstaunt über die Aufrichtigkeit, mit der ihm der alte Mann diese Geschichte erzählte.
»Das ist die Legende, wie sie geschrieben steht, doch das ist nicht das Ende der Erzählung.«
Moore sah Markow lange an und sträubte sich mit aller Macht gegen das Verstehen, das in ihm erwuchs. Hier war er nicht zuhause. Hier wollte er nicht sein. Und doch glitt er immer weiter hinüber in diese Welt aus Legenden, Visionen, Ahnungen und Sagen, die er so sehr fürchtete.
»Sie meinen also, Menschen wie Sie haben den weiteren Verlauf dieser Geschichte beobachtet und aufgezeichnet?«, hörte er sich selbst, wie von weit her, fragen.
Markow lächelte ihn an. Er hatte gewusst, dass er sich in diesem Mann nicht getäuscht hatte. So würde wenigstens seine Aufgabe zu Ende geführt werden, wo er seinen Tod so nahe spürte.
»Ja Dr. Moore, Menschen wie ich.«
Als er die stumme Aufforderung in Moore’s Gesicht las, fortzufahren, setzte er sich zu dem Mann, der, ob seiner inneren Zerrissenheit, zu keinem Wort mehr fähig war und erzählte weiter.
»Immer wieder versuchte die Finsternis, die Liebe zu zerstören und scheiterte ein ums andere mal am Bund der Sieben. Doch schließlich erkannte die Finsternis – der
Dunkle
, wie er bald genannt wurde – dass dieses Vorgehen ihn nicht weiterbringen würde. So fasste er den Plan, den Bund selbst zu beseitigen, um endlich an sein Ziel zu gelangen. Dies konnte er jedoch nicht in der Traumwelt, der Sphäre, wo alle Lebewesen miteinander verflochten sind. Hier war seine Macht nicht groß genug. Doch in der realen Welt gewann er über die Jahrtausende immer mehr Einfluss auf das Denken und Handeln der Menschen. Zu gerne und bereitwillig ließen sie sich auf die Verführungen des Dunklen ein und viele verschrieben ihm so, ohne es zu ahnen, ihre Seelen. Sein Plan war nun, die Menschen, die hinter dem Bund standen, in der realen Welt zu finden und sie hier zu töten. Doch selbst das war ein waghalsiges Unterfangen, da der Bund auch hier stark und mächtig war. Es gab nur einen Zeitpunkt, zu dem die Einzelnen des Bundes am verletzlichsten waren, nämlich zur Zeit des Überganges. Dazu müssen Sie wissen, dass die Sieben in der realen Welt ein langes, aber dennoch endliches Leben besitzen. Am Ende ihres irdischen Lebens erwählen sie sich einen Menschen, an den sie ihr Wissen und ihre Weisheit weitergeben können. Diese Menschen stammen aus der gleichen Blutlinie, wie das jeweilige Mitglied des Bundes.«
Moore fröstelte. Ihm fielen die gentechnischen Untersuchungen im Corden-Marno-Fall ein.
Vom gleichen Blut
, dröhnte es in seinem Schädel.
Vom gleichen Blut!
»Dieser Übergang wird in einem uralten Ritual zelebriert, das
Gesang der Verschmelzung
genannt wird. Dieses Ritual ist Tod und Geburt zugleich. Die alte körperliche Hülle eines der Sieben stirbt und der neue Körper wird gleichsam geboren. Doch der Dunkle erkannte, dass die mächtigen Sieben zu eben dieser Stunde verletzbar waren.«
»Ich fürchte mich vor dem, was
dazwischen
liegt«, krächzte Moore mit belegter Stimme, als ihm die Worte Ukowa’s einfielen.
Markow legte ihm, wie um ihn zu beruhigen, die Hand um die Schulter und nickte wissend.
»So löschte der Dunkle eine der goldenen Seelen nach der anderen aus.«, sagte er leise zu Moore und schwieg dann. Er schob seinen Hocker beiseite, griff unter den Tisch und zog einige Akten hervor, die er fast andächtig vor Moore auf den Tisch legte. Moore starrte die Schriftstücke eine ganze Weile verständnislos an und begann schließlich darin zu blättern. Als er endlicherkannte, was da vor ihm lag, wurde er kreidebleich. »Oh mein
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