Schneemond (German Edition)
bereit diesen Disput aufzunehmen.
»Also gut, Mr. Markow. Nehmen wir einmal an, dass es so etwas wie übersinnliche Erfahrungen gibt – und ich möchte vorausschicken, dass ich nicht daran glaube – auf welcher Grundlage unterstellen Sie, dass sich eine
Realität
hinter diesen Erfahrungen verbirgt.«
»Nun, denken Sie doch nur an die Berichte, nach denen in beiden Weltkriegen Mütter den Tod ihrer Söhne im Feld
gespürt
haben....«
»Reflektives Verhalten...«
».....oder die unzähligen Aufzeichnungen von Nahtoderfahrungen.... «
»Synaptische Blitze, das Gehirn entlehrt sozusagen seinen Speicher...«
Markow schien sich in keiner Weise bedrängt zu fühlen.
»Fest steht jedenfalls, dass es Menschen mit diesen..... nennen wir es
außerordentlichen
Wahrnehmungsfähigkeiten.... gibt.«
Moore beugte sich provokant vor. »Und woher wollen Sie das so genau wissen?«
»Weil ich einer von Ihnen bin!«, entgegnete Markow ruhig und gelassen.
Gerade hatte Moore begonnen sich etwas zu entspannen – und nun das. Er schüttelte den Kopf über diesen Mann, der da ohne eine Regung vor ihm stand und behauptete, Gespenster zu sehen. Doch da blieb immer noch eine Frage offen und Moore ahnte worauf das Ganze hinauslaufen sollte.
»Sie wollen also allen Ernstes behaupten, dass Sie sich Ihr Wissen über diese Morde in Wisconsin durch
Visionen
erworben haben?«
Markow grinste.
»Nicht nur, Dr. Moore. Ich bin auch noch ein begnadeter Hacker.« Er deutete vielsagend auf die technische Ausstattung, die den halben Raum in Beschlag nahm.
Nun lachte auch Moore. »Sie Schweinehund! Beinahe hätten Sie mich drangekriegt. Ich dachte schon, Sie glauben den Quatsch wirklich, den Sie da reden.«
Markow’s Züge versteinerten schlagartig. »Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich tatsächlich daran glaube.«
Bevor Moore zu einem weiteren Wort ansetzen konnte, fuhr Markow schon fort. »Lassen Sie einmal Ihrem Verstand ein klein wenig Luft und ersticken ihn nicht ständig mit Ihrer vermaledeiten Ratio. Ich werde Ihnen jetzt einfach erzählen, was ich weiß und bitte Sie, wenigstens den Versuch zu machen, mir vorbehaltlos zuzuhören.«
Er entspannte sich ein Stück, als er fortfuhr.
»Es gibt viele medial begabte Menschen auf dieser Welt und ich gehöre dazu. Was mich – und einige wenige Andere – von der breiten Masse unterscheidet, das ist die Fähigkeit, die Verknüpfungspunkte unserer Visionen mit der Realität zu erkennen. Diese Realität hat jedoch viele Gesichter und wird von uns allen, obwohl sie offen vor uns liegt, oft nicht als solche wahrgenommen.«
Er nahm einen Schluck aus seinem Glas.
»Märchen, Mythen, Legenden, Dr. Moore, auch das sind Beschreibungen einer Realität. Verfälscht, zwar und oft bis zur Unkenntlichkeit entstellt, letztlich jedoch Realität. Ich bin der letzte in einer langen Reihe von... nun sagen wir....
Beobachtern
.«
Er fing an, während seiner Erzählung einige Schritte in dem überladenenRaum auf und ab zu gehen.
»Wir beobachten, was in der Welt, der
realen
Welt, geschieht und wir beobachten aufmerksam unsere
Visionen
. Und wir erkennen, dass diese beiden Welten untrennbar miteinander verknüpft sind.«
»Was soll das heißen?«, warf Moore ein und sein Unbehagen stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
»Das will ich Ihnen sagen, Dr. Moore. Alle Ihre Handlungen, jeder Schritt den Sie tun, jedes Wort das Sie sagen, ja sogar jeder Gedanke den Sie denken hinterlässt seine Spuren. Spuren in der realen Welt, aber viel tiefere und nachhaltigere Spuren in der
Traumwelt -
um einen Begriff der Aborigines zu gebrauchen, der mir hierfür sehr passend erscheint. Sie nähren mit jeder Sekunde Ihres Seins das Licht oder das Dunkel, das uns alle umgibt und durchdringt.«
Moore schüttelte ganz energisch den Kopf.
»Oh nein, Mr. Markow! Ganz entschieden
nein
! Es ist eine Sache, einen Mörder seiner Tat für schuldig zu erklären, aber eine ganz andere, zu behaupten, schon der
Gedanke
an Mord würde ihn zu einem Mörder machen.«
»Der Gedanke allein macht noch keinen Mörder aus ihm. Doch ich sage Ihnen: Ohne diesen Gedanken, der seiner dunklen Seite Raum verschafft, wäre der Schritt zur Tat nicht möglich.«
Noch immer sperrte Moore sich heftig gegen das Gedankengebäude, das Markow ihm schmackhaft machen wollte. »Aber es läuft doch darauf hinaus, dass Gedanken zur
Realität
gerinnen können.«
Markow nickte, wohl wissend, dass er Moore’s Widerstreben damit noch anheizen
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