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Schneemond (German Edition)

Schneemond (German Edition)

Titel: Schneemond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kohlpaintner
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Staub zertreten worden.
    Es gab keine Güte mehr in dieser Welt. Es gab keine Zuneigung mehr in dieser Welt. Es gab keine
Liebe
mehr in dieser Welt.
    Und während Lukas sich in seiner Verzweiflung verlor, stieß ihm der Dunkle seine verderbten Wurzeln ins Herz. Lukas öffnete den Mund zu einem stummen Schrei, als er erkennen musste, dass
er
es war, der versagt hatte. Durch
seine
Schuld war es dem Dunklen gelungen, sie zu überlisten. Durch
seine
Schuld würden seine Freunde sterben. Durch
seine
Schuld hatte er Maria und ihre Liebe verloren. Und nur durch
seine
Schuld -
seine
Schuld ganz allein - würde die Welt in Finsternis versinken.
    Und Lukas flehte stumm das Ende herbei, um diese alles zermalmende Bürde nicht länger tragen zu müssen.
    Das Leben ist manchmal so zart und zerbrechlich, dass es vom kleinsten Hauch zu Staub zerblasen wird – und manchmal ist es so zäh, dass tausend Armeen es nicht vernichten können. Noch immer glomm ein letzter Funke in Moores zerstörtem Körper und wollte einfach nicht verlöschen. Tief in seinem gequälten Geist wusste Moore, dass er sowohl das Leben, als auch den Tod verloren hatte. Und plötzlich wurde ihm klar, was John Ukowa ihm hatte sagen wollen.
    Ich fürchte mich, vor dem was dazwischen liegt
.
    Kein noch so grausamer Tod, kein noch so schmerzhafter Selbstmord konnten es auch nur ansatzweise mit dieser grauenvoll seelenlosen Zwischenwelt aufnehmen, in die ihn der Dunkle gestoßen hatte.
    Die Schwärze und die Finsternis, die ihn umgaben, schienen zu flüstern und unsägliche Kreaturen zu beherbergen. Moore fühlte, trotz seines verbrannten und verkohlten Leibes, der wie ein großes Stück Kohle auf dem kahlen Winterboden lag, keine Schmerzen. Doch jeder Schmerz wäre ihm lieber gewesen, als diese furchtbare Angst und diese seelenlose Kälte, die sich seiner schon lange bemächtigt hatten. Alle Kraft und alle Zuversicht hatte ihn schon längst verlassen und zurückgeblieben war nur noch die Seele eines kleinen, verstörten und verängstigten Kindes. Doch zwischen all der schrecklichen Angst tauchten vereinzelte Worte aus den Tiefen seines Geistes auf, wie Brotkrümel, die den Weg markierten.
    Und wenn ich auch wanderte ihm finsteren Tal....
    Er wusste nicht, woher er diese Worte kannte, doch hatten sie eine seltsam beruhigende Wirkung auf ihn. Und dann plötzlich, ohne es wirklich zu wollen, ohne überhaupt bewusst daran zu denken, flehte er stumm und aus tiefster Seele:
    Vater, wenn es Dich gibt, ich bitte Dich: Hilf mir!
    Zu einer anderen Zeit, in einer anderen Welt, hätte er nur kopfschüttelnd vor diesen Worten gestanden und sicher eine kluge und gebildete Erklärung für sein Verhalten gefunden. Eine Erklärung jenseits aller Gefühle und aller Spiritualität. Doch jetzt erfüllte diese Bitte sein ganzes, verlöschendes Leben. Und nach dem er dieses Flehen zum Himmel gesandt hatte, brach jeder halbwegs klare Gedanke in ihm zusammen. Er war, wie ein kleines, flackerndes Kerzenlicht in einem Ozean aus Dunkelheit. Er war verloren, auf immer und ewig. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, ehe ihn die Finsternis gänzlich verschlingen würde. Keine Hoffnung! Keine Gnade!
    Und Moore, Dr. Samuel Moore, der großartige Psychologe, der Rationalist, der Mensch, der seine Gefühle immer geleugnet hatte, gab sich endgültig auf und verlor sich in einem Sturm von Wahnsinn. Und in diesem schlimmsten und endlosesten Augenblick seines verlöschenden Lebens geschah das Unglaubliche.
    Hab keine Angst, Samuel.
    Wie eine Feder schwebten diese Worte auf ihn zu und durchdrangen ihn sanft. Er konnte sie mehr spüren, als hören, wie ein leises Vibrieren, das man nur im Magen fühlen kann, wenn man sich ganz darauf konzentriert.
    Hab keine Angst.
    Die Worte schienen von Überall und Nirgendwo zu kommen. So leise, dass sie vom sanften Atem eines schlafenden Kindes übertönt worden wären, und doch so klar und deutlich. Und plötzlich sah er einen Schein, ganz schwachund weit, sehr weit entfernt, aber doch vorhanden.
    Wer bist Du?
, versuchte Moore zu denken.
    Ich bin, der ich bin.
    Das Licht kam näher. Oder war er es, der darauf zutrieb?
    Es war egal. Das Einzige, was zählte war, dass der Schein heller wurde, bis er das letzte Glühen von Moore’s Lebenslicht sanft umfing und in sich aufnahm. Die zarte Glut, die vorher aus der tiefen Dunkelheit herausgestochen war, erschien jetzt fast als Schatten in diesem unglaublich weißen und gleißendem Licht.
    Moore schluchzte.
    Warum

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