Schneemond (German Edition)
erhörst Du mich, nach allem, was ich getan habe?
, fragte er, sicher, dass er zuzückgewiesen werden würde.
Weil Du bist, der Du eben bist – Samuel!
Moore fing plötzlich an, zu verstehen. Wieder kam ihm John Ukowa und das Gespräch, das er mit dem alten Indianer geführt hatte, in den Sinn.
Mein Name....
, sagte er. Und dann stieg eine Erinnerung aus der Tiefe seines Geistes herauf, eine Erinnerung aus Kindestagen. Er war ein kleiner Junge gewesen, ängstlich und noch weit entfernt von jenem rationalen Menschen, der er einst werden sollte. Seine Mutter saß an seinem Bett und streichelte sanft sein Haar.
Hab keine Angst, mein Kleiner
, flüsterte sie ihm zu.
Dir kann nichts geschehen. Dein Name wird Dich immer schützen.
Aber Mama
, hatte er erstaunt gefragt.
Wie soll ein Name mich schützen?
Doch sie hatte ihn nur angelächelt und ihn schließlich gefragt:
Weißt Du was Dein Name bedeutet?
Stumm hatte der kleine Junge den Kopf geschüttelt.
Samuel – Von Gott erhört!
Und das Licht schien ihn zu halten und er fühlte sich, für den Augenblick zumindest, beschützt und geborgen.
Warum hast Du mich nicht schon früher erhört?
, fragte er schließlich und ein leichter Vorwurf schwang in dieser Frage.
Hast Du denn schon früher zu mir gesprochen?
, erwiderte die Stimme.
Stumm und betroffen schwieg er. Er konnte die Liebe und die Güte, die von diesem wundervollen Licht kam, bis ins tiefste Herz spüren.
Ich höre Euch immer zu, Samuel. Jedem einzelnen von Euch. Und immer spreche ich zu Euch. Unablässig. Doch Euer Leben ist so laut, dass Ihr mich oft nicht hören könnt.
Aber ich höre Dich jetzt
, sagte Moore.
Und ich flehe Dich an. Hilf mir!
Er spürte einen Hauch des Bedauerns.
Ich kann Deinen Weg nicht für Dich gehen, Samuel. Ich kann Dich nur begleiten.
Aber sieh mich doch an
, entgegnete Moore lauter, als er gewollt hatte.
Mein Körper ist zerstört und meine Seele hängt in SEINEN Fängen.
Für eine schier endlos lange Zeit herrschte Stille und Moore befürchteteschon, dass er wieder alleine gelassen worden war. Doch dann durchdrang ihn die Stimme erneut.
Du musst Deinen Weg zu Ende gehen, Samuel.
Aber was soll ich tun? Was KANN ich tun?
Du musst Deinen Weg zu Ende gehen! Für Dich! Und für Karen!
Moore war am verzweifeln. Wollte ER denn nicht verstehen? Er konnte nichts mehr tun.
Warum hilfst Du mir nicht?
, schrie er in das Licht.
Ist es, weil ich nicht an Dich geglaubt habe? Weil ich nicht zu Dir gebetet habe? Oder habe ich nicht die richtige Religion?
Oh Samuel
, antwortete die Stimme.
Glaubst Du denn wirklich, dass es einen Unterschied macht, wie Ihr zu mir sprecht? Ich höre alles. Egal ob ihr redet, singt, tanzt, lauft, küsst oder liebt. Und ich mache keinen Unterschied, zwischen dem, der mir ein Leben lang zu gefallen sucht und dem, der sich mir erst auf dem Totenbett, mit dem letzten Atemzug, zuwendet. Und es ist egal, welche Namen Ihr mir gebt und welches Bild Ihr Euch von mir macht. Es ist egal, weil Ihr mich ohnehin nicht begreifen könnt.
Kein Vorwurf lag in diesen Worten, sondern nur Güte und Verständnis.
Und ich bin bei jedem Einzelnen von Euch, ein ganzes Leben lang – und weit darüber hinaus. Doch ich zwinge Euch nicht in meine Bahn. Denn nur die Freiheit, dass Ihr Euch auch GEGEN mich entscheiden könnt, macht die Entscheidung FÜR mich so wertvoll. Und jeder Einzelne muss seinen Weg gehen, vom ersten bis zum letzten Schritt. Denn das bedeutet leben. Den Weg zu gehen von Geburt an, bis zum Sterben und zum Tod.
Aber was kann ich noch tun...?
, flehte Moore.
Du stehst am Ende Deines Lebens, Samuel. Aber Du kannst immer noch über den allerletzten Schritt entscheiden.
Moore zweifelte. Er hatte Angst und fürchtete sich vor dem, was hinter dem Horizont auf ihn wartete.
Hab keine Angst
, flüsterte ihm die Stimme zu.
Hab keine Angst, Samuel. Ich bin bei Dir.
Und das Licht wurde schwächer und verblasste, doch es verließ ihn nicht. Und dann traf Samuel Moore seine letzte Entscheidung.
Kapitel 31.
D raußen, vor den Toren des Instituts, tobte der Wintersturm mit zunehmender Heftigkeit. Doch dieses Aufbäumen der Natur war nur ein Abklatsch des Sturmes, mit dem die Finsternis unbemerkt durch die Herzen der Menschheit tobte. Das Auge des Zyklons jedoch befand sich in der Ritualhöhle in den Tiefen der Granitberge des Bayerischen Waldes. Dort, wo Theresa verzweifelt mit dem Dunklen rang. Noch immer war sie mächtiger als jeder andere Mensch, alleine aus dem
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